Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Nach § 78 Abs. 1 ZPO müssen sich die Parteien und Beteiligten in Familiensachen vor den Familiengerichten durch einen bei einem Amts- oder LG zugelassenen Rechtsanwalt und vor allen Gerichten des höheren Rechtszuges durch einen bei dem Prozessgericht zugelassenen Anwalt vertreten lassen; dies betrifft die Ehe- und Folgesachen, die Lebenspartnerschaftssachen wie die Familiensachen nach § 111 FamFG, hier: die elterliche Sorge für ein Kind, die Regelung des Umgangs mit einem Kind und seine Herausgabe, beim Versorgungsausgleich sowie Kindschaftssachen.
Das Jugendamt, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen sowie sonstige Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts und deren Verbände einschließlich der Spitzenverbände und ihrer Arbeitsgemeinschaften brauchen sich dagegen nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen (§ 78 Abs. 2 ZPO). Die Regelung des Anwaltszwangs vor dem Familiengericht, d.h. dem AG (§ 23b GVG) ist abschließend. Bei Ehesachen besteht Anwaltszwang für beide Ehegatten in allen Rechtszügen.
Problematisch ist die unterlassene Anwaltsbestellung. Wenn der eine Ehegatte als Beklagter oder Antragsgegner keinen Rechtsanwalt bestellt, obwohl es ihm freisteht, einen Anwalt zu bestellen, bleibt eine Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Gericht möglich. Unterbleibt dies, kann der Antragsgegner ohne Rechtsanwalt nicht wirksam Prozesshandlungen vornehmen, auch nicht in den Folgesachen und auch nicht nach Abtrennung (§ 140 FamFG). Er ist in diesem Falle auf die persönliche Anhörung beschränkt (§ 128 FamFG).
Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe von § 78 Abs. 1 und 2 ZPO zur Vertretung berechtigt ist, braucht selbst keinen eigenen Anwalt, sondern kann sich selbst vertreten (§ 78 Abs. 4 ZPO). Die Stellung als Parteivertreter bringt es mit sich, dass es den "gemeinsamen Anwalt" im Familienrecht nicht gibt. Insbesondere bei einer "einverständlichen Scheidung" (Ein-Jahres-Frist-Scheidung, § 1566 Abs. 1 BGB) muss deutlich gemacht werden, dass es einem Anwalt nur möglich ist, lediglich eine Partei anwaltlich zu vertreten. Dies schließt nicht aus, dass der eine Ehepartner zu einem Besprechungstermin mit dem anderen Ehepartner in der Kanzlei erscheint. Berufsrechtlich ist es dem Anwalt jedoch verboten, beide Parteien anwaltlich zu beraten, denn § 356 StGB spricht eine eindeutige Sprache: "Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Der Straftatbestand ist objektiv schon erfüllt, wenn ein Anwalt dem Gegner seiner Partei bei Fragen zum Versorgungsausgleich behilflich ist. Die Rechtsprechung hat indes das objektive Tatbestandsmerkmal der "Pflichtwidrigkeit" konkretisiert. Obwohl es ein Verstoß gegen das Verbot aus § 43a BRAO sei, widerstreitende Interessen zu vertreten, gibt es laut OLG Karlsruhe bei einer geplanten einvernehmlichen Scheidung diese widerstreitenden Interessen nicht, sobald ein Anwalt beide Ehegatten über den Unterhalt berät und anschließend außergerichtlich für einen Ehegatten Unterhaltsansprüche geltend macht. In der Praxis wird jedoch von einem solchen Vorgehen abgeraten.