Lotte Thiel, Wilko Seifert
Gesetzestext
A. In Scheidungs- und Lebenspartnerschaftssachen beigeordneter Rechtsanwalt (Abs. 1)
I. Allgemeines
Rz. 1
In der Praxis ist es häufig zu beobachten, dass scheidungswillige Eheleute bemüht sind, die Kosten eines Scheidungsverfahrens und der damit zusammenhängenden Verfahren so gering wie möglich zu halten. Dabei herrscht in der Allgemeinheit die Auffassung vor, es sei durchaus möglich, dass sich zwei Eheleute nur einen Anwalt nehmen und dieser Rechtsanwalt für beide Ehegatten gleichermaßen tätig werde. Leider wird ein derartiger Eindruck tatsächlich gelegentlich auch durch den aufgesuchten Rechtsanwalt vermittelt, da dieser es in dem Beratungsgespräch versäumt, die Eheleute eindeutig darüber zu informieren, dass er nur einen der Ehegatten vertreten kann. Als Ergebnis derartiger Beratungen kann es dann dazu kommen, dass nur ein Ehegatte im Scheidungsverfahren anwaltlich vertreten ist, was verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden ist. Diese Verfahrensweise kann aber für den nicht anwaltlich vertretenen Ehegatten durchaus erhebliche Nachteile bringen, was dieser aber mangels entsprechender Vorbildung oder Beratung nicht erkennen kann.
Rz. 2
Das Gericht ordnet daher in einer Scheidungssache dem Antragsgegner von Amts wegen zur Wahrnehmung seiner Rechte einen Rechtsanwalt bei, wenn diese Maßnahme nach der Überzeugung des Gerichts zum Schutz des Antragsgegners dringend erforderlich erscheint. Vor der Beiordnung soll der Antragsgegner persönlich gehört und dabei darauf hingewiesen werden, dass die Familiensachen des § 137 FamFG. gleichzeitig mit der Scheidungssache verhandelt und entschieden werden können, § 138 Abs. 1 FamFG. Mit dieser gesetzlichen Regelung wird der Umgehung des Anwaltszwanges aus § 10 FamFG Rechnung getragen, wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass beim Antragsgegner über die Tragweite der Scheidung und deren Folgen Aufklärungsbedarf besteht. Grundsätzlich besteht nach § 10 FamFG zwar für Scheidungs- und Folgesachen für beide Parteien Anwaltszwang; diesen kann jedoch der Antragsgegner umgehen, wenn er keinen eigenen Sachantrag stellen will, z.B. bei einer einverständlichen Scheidung.
Rz. 3
Von der Möglichkeit der Beiordnung nach § 39 unberührt bleibt die Möglichkeit, einem Ehegatten auf Antrag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und einen Anwalt beizuordnen. Dann kann dieser gem. §§ 45 ff. nach den Beträgen des § 49 mit der Landeskasse abrechnen. Allerdings besteht dann keine Möglichkeit, den Vertretenen unmittelbar in Anspruch zu nehmen (§ 76 FamFG, § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).
II. Regelungsgehalt
1. Stellung des beigeordneten Rechtsanwalts
Rz. 4
Der beigeordnete Rechtsanwalt hat, solange der Antragsgegner ihm keine Verfahrensvollmacht erteilt, die Stellung eines Beistands nach § 90 ZPO (§ 138 Abs. 2 FamFG). Das bedeutet, dass er darauf beschränkt ist, den Antragsgegner über die Konsequenzen im Zusammenhang mit der Scheidung aufzuklären und zu beraten. Er kann aber auch neben dem Antragsgegner schriftlich oder mündlich vortragen, ihm obliegt jedoch nicht die Vertretung. Zur Vertretung bedarf es der Vollmacht durch den Antragsgegner. Die Zustellung von Schriftsätzen und Entscheidungen hat, da er eben nur beigeordnet und nicht Verfahrensbevollmächtigter ist, weiterhin an die Partei selbst zu erfolgen, während ihm nur Abschriften zuzuleiten sind.
2. Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts
Rz. 5
Der beigeordnete Rechtsanwalt wird gebührenrechtlich wie ein Verfahrensbevollmächtigter behandelt. Beteiligt er sich wie ein Verfahrensbevollmächtigter am Verfahren, kann er bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen alle Gebühren der VV 3100 ff. erhalten. Er hat gegen den Antragsgegner, dem er beigeordnet ist, auch dann einen Gebührenanspruch, wenn dieser mit der Beiordnung nicht einverstanden war.
Rz. 6
Dem beigeordneten Anwalt erwächst zunächst die Verfahrensgebühr nach VV 3100, die sich nach VV 3101 Nr. 1 oder 2 auf eine 0,8-Gebühr ermäßigen kann.
Rz. 7
Die Terminsgebühr nach VV 3104 in Höhe von 1,2 entsteht, wenn der beigeordnete Anwalt dem Antragsgegner in einem gerichtlichen Termin beisteht, sei es bei einer Verhandlung, Erörterung oder auch nur bei einer Anhörung, wie sich aus der Neufassung der VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 1 ergibt. Sie entsteht auch dann, wenn der Anwalt bei Abwesenheit des Antragsgegners dessen Rechte in einem Termin wahrnimmt.
Rz. 8
Anzuwenden ist ferner VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3. Die Terminsgebühr entsteht also auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen o...