Das OLG München stellte klar, dass es keine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge gäbe. Aufgrund dessen sei die Alleinsorge eines Elternteils auch keineswegs eine nur in Ausnahmefällen als Ultima Ratio in Betracht kommende Entscheidung. Eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlichen Verantwortung sei, sah das Gericht nicht. Es führte aus, dass dem nämlich entgegenstünde, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lasse. Es sei mit dem Kindeswohl nicht vereinbar, wenn sich die Eltern ständig um die das Kind betreffende Angelegenheiten streiten. Dies kann zu erheblichen Belastungen bei dem Kind führen. Dem stimmte das OLG Hamm zu.
Auch das OLG Thüringen betont, dass die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern sowie die Fähigkeit zur Kommunikation und Konsensfindung voraussetze. Das OLG Hamm wies allerdings in seiner Entscheidung darauf hin, dass bei der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge kein ständiger und umfassender Austausch über die Kindesinteressen erforderlich sei, sondern nur über Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung ein Konsens gefunden werden müsse. Dies sieht das OLG Saarbrücken ebenso. Anderer Ansicht sind aber die Oberlandesgerichte Köln und Frankfurt. In ihren Entscheidungen wird ausgeführt, dass es dem Kindeswohl am besten entspräche, wenn beide Elternteile auch nach der Trennung und Scheidung Verantwortung für das Kind gemeinsam tragen. Die Alleinsorge sollte danach auf absolute Ausnahmefälle beschränkt sein. In den allermeisten Fällen sei eine Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil nicht erforderlich. Auch in einer früheren Entscheidung befand das OLG Köln, dass eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil dann ausscheide, wenn sich nicht feststellen lasse, dass sich das Zerwürfnis der Eltern auch negativ auf die Kindesentwicklung auswirke.
Das Kammergericht ist der Ansicht, dass sich elterliche Gemeinsamkeit weder vom Gesetz noch vom Gericht verordnen lasse. Streiten sich die Eltern fortwährend, so komme nur die Alleinsorge in Betracht. Diese Meinung teilt auch das OLG Schleswig.
Einfacher zu entscheiden war ein Sachverhalt für das OLG Saarbrücken, bei dem gewalttätige Übergriffe des Vaters zur Sprache kamen. In diesem Fall war klar, dass ein Konsens zwischen den Eltern nicht mehr gefunden werden konnte.
1. Wesentliche Bereiche der elterlichen Sorge
Das OLG Karlsruhe setzte sich in seiner Entscheidung mit den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge auseinander, für die es seiner Ansicht nach ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten zwischen den Eltern zur Aufrechterhaltung des gemeinsamen Sorgerechts geben müsse. Dies seien insbesondere die Wahl des Lebensmittelpunktes, Regelung des Umgangs, Auslandsaufenthalte des Kindes, Gesundheitsfürsorge, Wahl des Kindergartens und der Schule, Art der religiösen Erziehung.
Einige Entscheidungen ergingen über die Kriterien für eine Sorgerechtsentscheidung. Das OLG München entschied, dass bei Erziehungseignung beider Eltern das sozial isolierte Kind trotz seines entgegenstehenden Willens seinen Aufenthalt beim Vater haben soll, da er das Kind besser fördern könne. Gleichzeitig werden die wesentlichen Punkte bei der Sorgerechtsentscheidung zugunsten eines Elternteils ausgeführt. Für das Kindeswohl bestehen mehrere Kriterien, die nicht kumulativ nebeneinander, sondern im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein können. So u.a. Persönlichkeit der Eltern, persönliche Lebensumstände der Eltern, Erziehungseignung der Eltern einschließlich ihrer Bindungstoleranz, Förderprinzip (also Betreuung und äußere Lebensverhältnisse, die das Kind bei ihnen findet, wodurch klargestellt wird, wer den spezifischen Bedürfnissen des Kindes am besten gerecht wird), Bindungen des Kindes (also die Qualität der jeweiligen Eltern-Kind-Beziehung), Kontinuitätsprinzip (also Kontinuität und Stabilität der kindlichen Lebensbedingungen) und schließlich auch der Kindeswille (siehe auch OLG Saarbrücken).
2. Wille des Kindes
Der BGH hob einen Beschluss des OLG Brandenburg auf, da die Anhörung des Kindes in der zweiten Instanz unterlassen worden war, obwohl es sich um eine für das Kind weitreichende Entscheidung handelte. Es sollte nämlich seinen Aufenthalt von der Mutter in Deutschland zum Vater...