Inge Saathoff
Jedes Jahr von Neuem fassen die Menschen gute Vorsätze für das kommende Jahr. Insoweit scheint sich die Zeit zwischen den Jahren besonders zu eignen, einmal innezuhalten und zu überdenken, wie das alte Jahr gelaufen ist und welche neuen Ziele ins Auge gefasst werden sollen. Befragt man Mitmenschen nach diesen Vorsätzen, so stellt man fest, dass diese gar nicht so neu sind, geht es doch darum abzunehmen, nicht mehr zu rauchen, mehr Sport zu treiben oder einfach gesünder zu leben. Diese sehr pauschalen, oft auch zu hoch gesteckten Ziele sind demnach in der Regel auch kurz nach dem Anbruch des neuen Jahres wieder vergessen – oder wie sieht es da bei Ihnen aus?
Darf man Umfragen glauben, so stehen in den letzten Jahren zunehmend Wünsche nach weniger Stress – selbst bei Kindern!? – und mehr Zeit für die Familie und sich selbst an erster Stelle. Diesen Zielen können sich sicherlich die meisten von uns uneingeschränkt anschließen. Wie oft dauert die Bearbeitung der Frist, die mal wieder am letzten Tag erledigt wird, dann doch in die Abendstunden hinein, weil zahlreiche ungeplante Ereignisse den Tagesablauf bestimmt und den Terminplan torpediert haben. Im Ergebnis liegt das kleine Kind dann auch schon im Bett, wenn man nach Hause kommt oder wir erwarten natürlich Verständnis von der Familie für die berufliche Tätigkeit, wenn wir dort verspätet auf der Geburtstagsfeier oder zur Essenseinladung erscheinen.
Auch ich hetze von einem beruflichen Termin zum nächsten und versuche dabei die Betreuung meines Kindes ebenso lückenlos zu organisieren, wie nebenbei den Haushalt zu erledigen und natürlich auch die Beziehung zu pflegen. Dass mir dies ganz gut gelingt, ist schlicht der komfortablen Situation geschuldet, als Selbstständige Termine zu einem gewissen Grad steuern zu können, einen Partner zu haben, der die Betreuung gleichermaßen mit übernimmt, über einen Krippenplatz zu verfügen und auf Großeltern in der Nähe zurückgreifen zu können, die noch fit genug sind, um sich um den Enkel zu kümmern.
In unseren Unterhaltsmandaten sind solche Rahmenbedingungen jedoch sehr häufig nur zu einem kleinen Teil erfüllt. Auch entsteht zunehmend der Eindruck, dass die Frage danach, in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden kann, vorwiegend an zeitlichen Kriterien festgemacht wird. Nicht alles, was grundsätzlich zeitlich regelbar ist, ist auch gleichermaßen geeignet, für die Entwicklung des Kindes qualitativ gute Rahmenbedingungen zu schaffen.
Vom betreuenden Elternteil die Übernahme von mehr Eigenverantwortung zu erwarten, ist sicherlich ein richtiger und wichtiger Appell der Unterhaltsreform gewesen. Verlieren wir aber dabei nicht das Wichtigste aus den Augen, nämlich eine am Kindeswohl orientierte Betreuung. Natürlich lassen sich berufliche Tätigkeit und Betreuung miteinander vereinbaren. Selbstverständlich ist dafür ein gewisses Maß an Fremdbetreuung unverzichtbar. Im Einzelfall ist aber eben immer wieder die Frage kritisch zu prüfen, wann die Grenze des Zumutbaren erreicht ist. In vielen Fällen würde sich eine bessere Lösung finden lassen, wenn nicht noch über die letzte Stunde zumutbarer Mehrarbeit diskutiert, sondern etwas mehr Luft für die Versorgung gelassen würde. Gerade weil wir gehalten sind, am Einzelfall orientiert zu prüfen, was an Ansprüchen und Verpflichtungen besteht, gelingt es ja vielleicht auch im einen oder anderen Fall, den Fokus von der emotionalen, streitbelasteten Ebene wegzulenken zurück auf das gemeinsame Kind. Nicht selten werden dann Eltern einräumen, dass z.B. der Betreuungsbedarf durch einen Elternteil für das Kind in Kindergartenzeiten weit geringer sein kann als für ein pubertierendes Kind mit schulischen Problemen. Auch wird die (kostenfreie) Betreuungsmöglichkeit durch den unterhaltspflichtigen Elternteil oft nicht ausreichend genutzt. Erst Recht werden Eltern zugeben müssen, dass diese Streitpunkte bei intakter Ehe ganz anders bewertet würden.
Wenn die Familie und unsere Kinder doch das Wichtigste sind, was wir haben, wie man der Top-Ten-Liste der guten Vorsätze ableiten kann, dann gilt das doch wohl nicht nur für intakte Familien. Daher wünsche ich mir, dass bei allem Streit diese Erkenntnis wenigstens ab und an in Unterhaltsverhandlungen transportiert werden kann, um so vernünftige Lösungen zu finden, die der konkreten Familienkonstellation dienen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Start in ein erfolgreiches Jahr 2013!
Autor: Inge Saathoff
Inge Saathoff, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Oldenburg