„Ein Leuchtturm für gutes Wohnen und Leben“
Gemeinsam mit dem Architekturbüro Andoffice hat die Hoffnungsträger Projektentwickler GmbH einen modularen Systembau entwickelt, der sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig ist. Dadurch lassen sich flexible Lösungen auf unterschiedlichen Grundstücken realisieren. Die Gebäude wurden bereits mehrfach ausgezeichnet und sind seit Jahren bewährt. Hervorgegangen ist das junge Unternehmen aus der Hoffnungsträger Stiftung, die zahlreiche soziale Projekte betreibt und an mehreren Standorten das Management für Hoffnungshäuserprojekte übernommen hat.
Nathanael Over, Geschäftsführer Hoffnungsträger Projektentwickler GmbH, und Architekt Thorsten Blatter, beim Stuttgarter Büro Andoffice erklären, was die Hoffnungshäuser ausmacht.
Herr Over, Herr Blatter: Wie haben sich die Hoffnungsträger Projektentwickler seit der Stiftungsgründung 2013 weiterentwickelt?
Nathanael Over: Sehr gut! Wir sind als eigenständiges Unternehmen seit 2017 aktiv, haben viel gelernt und etliche neue Partner gefunden. Mit jedem neuen Gebäude steigen die Sichtbarkeit und der Impact für unsere Zielgruppe. Zudem haben wir uns an einem innovativen Holzbauer beteiligt. Dieser teilt mit uns Werte und Arbeitsauffassung. Nicht zuletzt durch diesen unmittelbaren Kontakt bauen wir so schnell und so gut.
Blatter: Der Lernprozess betrifft natürlich auch uns als Architekten. Mit jedem Gebäude versuchen wir besser zu werden: Noch einfachere Lösungen, noch bessere Leistung, noch nachhaltiger und kreislauffähiger, noch kostengünstiger.
Welche Veränderungen gab es in Bezug auf die architektonischen oder strukturellen Aspekte der Hoffnungshäuser?
Thorsten Blatter: Architektonisch blieben die gestalterischen Grundzüge unverändert. Konstruktiv haben wir fast jedes Bauteil weiterentwickelt und optimiert. Besonders die Aufbauten der Außenwände haben sich energetisch stark verbessert und erreichen jetzt den Standard Effizienzhaus 40 NH. Eine deutlich sichtbare Veränderung im Gebäudeinneren sind die Wandoberflächen. Ursprünglich waren diese komplett mit OSB-Plattenwerkstoff bekleidet. Jetzt führen wir sie aus verschiedenen Gründen ganz oder teilweise als weiße Wände aus. Nicht zuletzt haben wir die Grundrisstypologien kontinuierlich an die sich verändernden Anforderungen angepasst.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen oder Gemeinden seit der Initiierung des Projekts entwickelt?
Over: Wir bauen für unsere Eigentümerin, die Hoffnungsträger Stiftung sowie für Kommunen, institutionelle Träger, Wohnungsbaugesellschaften. Die Nachfrage nach gutem, dauerhaftem und bezahlbarem Wohnraum ist unvermindert hoch und mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine noch mal deutlich gewachsen. Wir setzen der wenig menschengerechten und nicht nachhaltigen Unterbringung in Containern wertigen Wohnraum mit einer klaren Perspektive zur Um- und Weiternutzung entgegen.
Haben sich die Mietpreisstrategien oder die Zielgruppen des Projekts im Laufe der Zeit geändert?
Over: Auf den oben genannten Grundlagen haben wir serielle Konzepte für die Unterbringung von Geflüchteten und barrierefreien altersgerechtes Wohnen entwickelt. Wir bauen nach wie vor nur Immobilien mit einem nachweisbaren sozialen Impact. Das heißt, dass unsere Konzepte immer über 70 Prozent geförderten Wohnraum aufweisen oder auf die Inklusion besonderer Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sind. Die Mieten unserer derzeitigen Projekte liegen im geförderten Teil 40 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Unsere Kernzielgruppen bleiben Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein, Geflüchtete, Senioren und Kinder. Unser Herz schlägt dafür, dass Menschen vom Rand der Gesellschaft wieder in deren Mitte kommen.
Welche Auswirkungen hatten die gewonnenen Preise (wie der kürzlich gewonnene Sonderpreis für bezahlbares Bauen des BFW) auf das Projekt und seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit?
Over: Wir sehen das als relativ einfache Möglichkeit, unser Anliegen "Wohnungsnot gemeinsam meistern" in die Öffentlichkeit zu tragen und für unseren Ansatz zu werben. Jede fehlende Wohnung bedeutet eine Familie oder ein einzelner Mensch, die kein Zuhause finden. Das bewegt uns.
Blatter: Als Architekten dürfen wir ja keine direkte Werbung machen. Von daher sind solche Auszeichnungen ein sehr guter Multiplikator. Genauso wichtig ist uns aber das direkte Feedback von Bewohnern. Denn für die bauen wir und wenn sie sich wohl fühlen, haben wir einiges richtig gemacht.
Inwiefern haben Innovationen bei der Technologie oder bei den Bauprozessen die Umsetzung weiterer Projekte beeinflusst?
Blatter: Im Laufe der Jahre haben wir versucht, uns besonders bei der ökologischen Nachhaltigkeit als auch bei der Geschwindigkeit zu verbessern. Wir setzen, wo immer möglich und sinnvoll, auf den konsequenten Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Zudem wurden alle Bauteile hinsichtlich ihrer Kreislauffähigkeit vereinfacht, Stichwort sortenreine Rückbaubarkeit. Wir minimieren kontinuierlich Schnittstellen auf der Baustelle und verlagern möglichst viele Schritte in die Vorfertigung. Ein Beispiel sind bis zum Halter für das Toilettenpapier komplett vorgefertigte Sanitärzellen, die gleichzeitig wohnungsweise als Haustechnikverteiler und darüber hinaus als Materialcontainer für die Montage dienen.
Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung des Konzepts in neuen Standorten im Vergleich zum ersten Projekt?
Over: Das Besondere ist, dass wir Interessenten bereits fertige Objekte zeigen können. Das ist überzeugender als ein 3D-Rendering und verhindert Ungewissheit, wie die Gebäude wirklich aussehen werden. Zu den schwierigeren Dingen gehören, Nachbarn, die keine neuen Nachbarn haben wollen, und Auflagen durch die Baurechtsbehörde. Insbesondere beim Brandschutz konnten wir einiges optimieren, da der Holzbau immer mehr Anerkennung empfindet.
Blatter: Die Rahmenbedingungen haben sich stark verändert. Es geht weniger um die Architektur als um die wirtschaftliche Umsetzbarkeit. Andererseits haben wir mittlerweile so viele Standorte realisiert, dass das Verhältnis von Qualität und Preis nicht mehr in Frage gestellt wird. Im Gegenteil, beide werden häufig sogar explizit genau so gefordert. Das macht es für uns natürlich sehr einfach.
Wie unterscheidet sich Ihr kooperativer Ansatz zur Planung und Realisierung von Projekten gegenüber üblichen Verfahren?
Over: In den letzten Jahren haben wir gelernt, von der Baustelle her zu denken. Unsere Fachunternehmen sitzen schon in den sehr frühen Planungsphasen mit am Tisch und helfen uns, Qualität und einfache Prozesse in die Projekte zu bringen. Wir haben zum Beispiel die Gewerke Erdbau, Rohbau und Außenanlagen als ein Team in unseren Projekten. Damit entstehen hier sehr gute Nahtstellen und eine hohe Kosteneinsparung und Effizienz. Die Bodenqualität und der Erdbau sind beim seriellen Bauen finanziell die größten Risiken, alle anderen Gewerke sind sehr risikoarm.
Blatter: Als partnerschaftliches Bauteam agieren wir zwar als wirtschaftlich unabhängige Unternehmen, profitieren aber dennoch von gemeinsamem Verständnis und Vertrauen aus der langjährigen und kontinuierlichen Zusammenarbeit. Rahmenverträge und Kooperationsvereinbarungen unterstützen dieses Vertrauen, am Ende erhöhen sich Auslastung und Planbarkeit deutlich. Das Wichtigste ist sicherlich das gemeinsame Ziel aller Beteiligten: Wir wollen einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen und bezahlbaren Wohnraum schaffen.
Hat sich die Wahrnehmung von modularen Bausystemen und Holz als Baumaterial in der Baubranche durch Ihre Projekte verändert?
Blatter: Auf jeden Fall. Das modulare und serielle Bauen mit Holz als wichtigstem Material hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Das Stichwort “seriell” kommt mittlerweile ja in fast jedem Förderprogramm vor und scheint all unsere Herausforderungen lösen zu können. Ich bin überzeugt, es kann zumindest einen signifikanten Beitrag zur Kostensenkung und damit zur Realisierbarkeit von Projekten beitragen. Wir sehen es als unsere ureigenste Aufgabe, in diesem Prozess Qualität und architektonische Anspruch zu sichern und ganzheitlich die verschiedenen Aspekte eines erfolgreichen Bauprojekts zusammenzuführen.
Welche zukünftigen Entwicklungen oder Erweiterungen sind für das Projekt Hoffnungshäuser geplant?
Over: Wir weiten das serielle Konzept aus auf zusätzliche Zielgruppen. Beispiele sind das Wohnen für Mitarbeitende, das altersgerechte Wohnen, gemeinschaftliche Wohnprojekte wie das Hoffnungshaus und das Zukunftshaus. Bei Letzteren leben Einheimische, Geflüchtete, Arm und Reich zusammen. Durch diese innovativen Wohnprojekte gestaltet sich ein neues Miteinander in unserer Gesellschaft. Ein weiterer Bereich sind Kindertagesstätten.
Welche gesellschaftliche Relevanz haben die Hoffnungshäuser?
Over: In den bislang realisierten 39 Gebäuden leben rund 1.000 Menschen aus über 35 Nationen gut und einvernehmlich zusammen. Darunter sind viele Geflüchtete, aber auch Menschen, die sich auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Wohnung leisten können. Hier entstehen durch gute Architektur sowie eine passende Größe von Gebäuden und Quartieren neue Gemeinschaften. Natürlich ist hier nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Aber wir sehen, es funktioniert. Jedes einzelne Projekt ist ein Leuchtturm für gutes, gemeinsames und menschengerechtes Wohnen und Leben.
Das Interview ist Teil des Fachbeitrags "Hoffnung in Serie" der Ausgabe 01/2024 des Fachmagazins "DW Die Wohnungswirtschaft". Lesen Sie das gesamte Heft auch in der DW-App.
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