BGB § 1578b § 1581
Leitsatz
Die Bemessung des eheangemessenen Selbstbehalts ist Aufgabe des Tatrichters. Dabei ist es diesem nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerte anzulehnen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten. Die Erfahrungs- und Richtwerte können dabei auch eine Differenzierung zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen vorsehen (Fortführung von Senatsurt. v. 17.3.2010 – XII ZR 204/08, FamRZ 2010, 802). (Rn 28)
BGH, Beschl. v. 16.10.2019 – XII ZB 341/17 (OLG Hamm, AG Essen)
Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die Beteiligten streiten um Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs über nachehelichen Unterhalt ab Oktober 2016.
[2] Aus der am 4.12.1980 geschlossenen Ehe der Beteiligten sind zwei 1981 und 1984 geborene Töchter hervorgegangen. Die Beteiligten trennten sich am 5.8.2007; seit dem 2.1.2009 ist ihre Ehe rechtskräftig geschieden.
[3] Der im Mai 1953 geborene Antragsteller war seit September 1970 durchgehend als Angestellter im öffentlichen Dienst vollschichtig erwerbstätig. Er ist alkoholkrank und leidet an diversen weiteren Erkrankungen, was zu einem Grad der Behinderung von 70 (mit Merkzeichen G) geführt hat. Seit Oktober 2016 bezieht er vorgezogene ungekürzte Altersrente (DRV Bund) in Höhe von monatlich 1.831,67 EUR (ab Januar 2017: 1.827,56 EUR) sowie eine Zusatzrente der Rheinischen Versorgungskasse in Höhe von monatlich 419,45 EUR. Den Wohnwert seiner von ihm bewohnten Eigentumswohnung haben die Beteiligten mit 400 EUR unstreitig gestellt.
[4] Die im Juni 1957 geborene Antragsgegnerin besuchte bis 1972 die Hauptschule und absolvierte dann eine Ausbildung zur Uhren- und Schmuckfachverkäuferin. In diesem Beruf war sie bis März 1979 beschäftigt. Danach arbeitete sie in einem Tabakgeschäft. Im Februar 1980 erkrankte sie und ab Juli 1980 war sie arbeitslos. Im September 1980 arbeitete sie nochmals einen Monat als Verkäuferin, bevor sie noch vor der Eheschließung wiederum erkrankte und dann schwanger wurde. Mit Ausnahme des Zeitraums von Oktober 1991 bis Juni 1993, in dem sie als geringfügig beschäftigte Verkäuferin tätig war, arbeitete sie danach nicht mehr, zunächst wegen der Betreuung und Erziehung der Kinder und später krankheitsbedingt. Auch sie ist alkoholkrank und krankheitsbedingt dauerhaft vollständig erwerbsunfähig, ohne die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente zu erfüllen.
[5] Seit der Trennung zahlte der Antragsteller der Antragsgegnerin dauerhaft Unterhalt. Am 9.11.2011 schlossen die Beteiligten vor dem Amtsgericht einen Vergleich, in dem sich der Antragsteller auf der Grundlage eines unterhaltsrelevanten Einkommens von 2.422,39 EUR (inklusive Wohnvorteil) verpflichtete, an die Antragsgegnerin ab Dezember 2011 nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1.600 EUR zu zahlen, in dem Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von 210 EUR und Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 296,50 EUR enthalten war.
[6] Der Antragsteller begehrt eine Abänderung des Unterhaltsvergleichs dahingehend, dass er ab Oktober 2016 nur noch nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 612,58 EUR schuldet und der Unterhalt ab Juni 2021 insgesamt entfällt. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlandesgericht den Vergleich dahingehend abgeändert, dass sich der nacheheliche Unterhalt ab Oktober 2016 auf monatlich 1.561 EUR (1.075 EUR Elementarunterhalt zuzüglich 231,31 EUR Krankenvorsorgeunterhalt und 254,69 EUR Altersvorsorgeunterhalt) und ab Januar 2017 auf 1.557 EUR (1.075 EUR Elementarunterhalt zuzüglich 230,95 EUR Krankenvorsorgeunterhalt und 251,05 EUR Altersvorsorgeunterhalt) beläuft; im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde strebt der Antragsteller eine weitere Reduzierung des Unterhalts ab Oktober 2016 auf 1.034 EUR (880 EUR Elementarunterhalt zuzüglich 154 EUR Krankenvorsorgeunterhalt) sowie einen Wegfall des Unterhalts ab Juni 2023 an.
II. [7] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
[8] 1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, unterhaltsrechtlich sei es billigenswert, dass der Antragsteller bereits mit der Vollendung des 63. Lebensjahrs in den Ruhestand eingetreten sei. Insoweit könne offenbleiben, ob eine Kündigung des Arbeitgebers unmittelbar bevorgestanden habe. Denn die Krankheiten des Antragstellers ließen es nachvollziehbar und nicht unterhaltsrechtlich leichtfertig erscheinen, dass er den Bezug einer abschlagsfreien Rente auch vor Erreichen der Regelaltersgrenze dem aktiven Dienst vorgezogen habe. Zusätzlich stehe der Grad der Behinderung von 70 einer unterhaltsrechtlichen Leichtfertigkeit entgegen. Daher seien ab Oktober 2016 die tatsächlich erzielten Versorgungseinkünfte zugrunde zu legen.
[9] Aus dem Einkommen des Antragstellers (Renten zuzüglich Wohnvorteil von unstreitig 400 EUR) von 2.651,12 EUR (ab 2017: 2.647,01 EUR) errechne sich für die Zeit ab Oktober 2016...