Einem Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweissicherungsverfahrens nach § 485 Abs. 1 ZPO ist stattzugeben, wenn der Gegner zustimmt oder nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird, § 485 Abs. 1 ZPO. Die drohende Verjährung rechtfertigt diese Besorgnis nicht, weil sie sich nicht aus tatsächlichen Umständen ergibt und sich auch nicht auf ein Beweismittel auswirkt.
Der Antrag nach § 485 Abs. 1 ZPO kann während oder außerhalb eines laufenden Gerichtsverfahrens gestellt werden. Es handelt sich um einen Verfahrens-, nicht um einen Sachantrag. Dennoch ist eine konkrete Beweisfrage zu formulieren, wie sich aus § 487 ZPO ergibt. Danach muss der Antrag den oder die Gegner bezeichnen, die Tatsachen benennen, über die Beweis erhoben werden soll und die Beweismittel bezeichnen, durch die der Beweis erhoben werden soll. Zulässig sind nur die Beweismittel Zeugenbeweis, Augenschein und Sachverständigengutachten. Beim Zeugenbeweis gehört zum ordnungsgemäßen Beweisantritt, wie im streitigen Verfahren, die ladungsfähige Anschrift des/der Zeugen. Beim Sachverständigenbeweis reicht es aus, das Beweismittel "Sachverständiger" zu bezeichnen.
Außerdem sind die Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, aus denen sich die Zulässigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts ergeben. Für die Glaubhaftmachung gilt § 294 ZPO. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass als Versicherung an Eides Statt der in der Praxis übliche "Ein- bis Zweizeiler" nicht ausreicht, in dem sich die Partei ein vorformuliertes Schreiben ihres Anwalts zu eigen macht. Entbehrlich ist die Glaubhaftmachung, soweit die Gegenseite dem Antrag zustimmt (dann muss sie aber immer noch hinsichtlich der Zuständigkeit erfolgen). Nach allgemeinen Grundsätzen bedarf außerdem keiner Glaubhaftmachung, was offenkundig oder unstreitig ist.
a) Zeugenbeweis
Der Verlust eines Beweismittels kann zum Beispiel bei alten und/oder schwer erkrankten Zeugen zu befürchten sein, bei denen die Besorgnis besteht, dass sie in einem späteren Rechtsstreit nicht mehr aussagen können. Als Erschwerung der Beweisaufnahme reicht es wohl aus, dass diese zu einem späteren Zeitpunkt mit höheren Kosten oder größerem Aufwand verbunden wäre. Explizit entschieden ist das für den Fall, dass eine Beweisaufnahme im Ausland vermieden werden kann. Hier ist z.B. an Zeugen zu denken, die eine Auswanderung planen oder von Abschiebung bedroht sind. Ob ohne solche besonderen Umstände die allgemeine Befürchtung ausreicht, die Erinnerung von Zeugen könne angesichts des Zeitablaufs nachlassen, ist streitig. Dafür spricht allerdings der Sinn und Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens, die schnelle Klärung einer Sachfrage durch eine vorgezogene Beweisaufnahme zu ermöglichen. Je mehr Zeit vergeht, desto unzuverlässiger wird jeder Zeuge als Beweismittel. Die frühzeitige Vernehmung kann damit zur zutreffenden Sachverhaltsfeststellung und zur materiellen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung, aber auch zur einvernehmlichen Konfliktbeilegung beitragen.
Die Vernehmung von Zeugen in Familiensachen im selbstständigen Beweisverfahren ist in der Praxis noch unüblich. Sie kann aber z.B. in Güterrechtssachen für die Fragestellung in Betracht kommen, ob, an wen genau, und in welcher Höhe eine Schenkung seitens der Eltern erfolgt und dem Anfangsvermögen zuzurechnen ist. Das kann für die Berechnung des Zugewinns maßgeblich sein. Grundsätzlich denkbar ist auch eine vorgezogene Beweisaufnahme über den Trennungszeitpunkt in Ehesachen. Im Bereich der Vermögensauseinandersetzung außerhalb des Güterrechts sind ebenfalls viele Beweisfragen denkbar, die Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sein können: Werterhöhungen durch Arbeitsleistungen, der ausdrückliche oder konkludente Abschluss von Verträgen (z.B. Treuhandverträge, Darlehen, Auftragsverhältnisse), Absprachen über die Innenhaftung für gemeinsam aufgenommene Schulden, Umstände der Mitarbeit eines Ehegatten im Betrieb des anderen etc. Im Unterhaltsrecht ist an Verwirkungsgründe zu denken, z.B. das Bestehen einer neuen Lebensgemeinschaft oder andere Umstände nach § 1579 Nr. 2 – 8 BGB. In der Praxis kommt es in diesen Konstellationen allerdings bislang – soweit ersichtlich – nicht vor.