Die nachfolgende Rechtsprechungsanalyse soll einen Beitrag dazu leisten, das Problemfeld der Anerkennung von ausländischen Privatscheidungen im Inland unter besonderer Berücksichtigung des kollisionsrechtlichen Umgangs mit Doppel- und Mehrstaatern zu lichten. Den Anlass hierzu bildet der Beschluss des BGH vom 26.8.2020 in der prominenten Rechtssache Sahyouni. Infolge der Sahyouni II-Entscheidung des EuGH vom 20.12.2017 – wonach nur solche Scheidungen, die "entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden", in den Anwendungsbereich der Rom III-VO fallen – schloss der deutsche Gesetzgeber die durch jenes Urteil aufgedeckte Regelungslücke im autonomen IPR mit der Neufassung des Art. 17 Abs. 2 EGBGB. Wie der zwölfte Zivilsenat des BGH nunmehr geklärt hat, erstreckt sich der Verweisungsbefehl des Art. 17 Abs. 2 EGBGB auf Art. 5 ff. Rom III-VO rückwirkend auf nicht unmittelbar der Rom III-VO unterliegende, ab Außerkrafttreten des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. ergangene Scheidungen wie u.a. die in Sahyouni streitige aţ-Ţalāq-Scheidung. Die vom OLG München als Vorinstanz propagierte Übergangslösung, das in Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a.F. verankerte Staatsangehörigkeitsprinzip mittels eines Analogieschlusses zu Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. für Privatscheidungen gleichsam wiederauferstehen zu lassen, ist obsolet. Zudem hat der BGH im Kontext der "rechtspolitisch sensiblen" kollisionsrechtlichen Behandlung von Mehrstaatern den Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit gegenüber drittstaatlichen Staatsangehörigkeiten gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB bei der objektiven Anknüpfung nach Art. 8 lit. c Rom III-VO (ggf. i.V.m. Art. 17 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB) bestätigt.
Obschon der BGH die umstrittene Frage nach der Primärrechtskonformität des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB erneut offen gelassen hat, ist, wie sogleich gezeigt sein wird, eine gespaltene Auslegung des Art. 8 lit. c Rom III-VO in Bezug auf Personen mit mehreren Staatsangehörigkeiten mit dem vorliegenden Beschluss nahezu präjudiziert. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist mit höherrangigem Unionsrecht nur vereinbar, soweit die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mit einer anderen mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit konkurriert. Äußerst fraglich ist hingegen die Vereinbarkeit des für den Konflikt nicht-deutscher Staatsangehörigkeiten in Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB verankerten Effektivitätsprinzips mit höherrangigem Unionsrecht. Im Hinblick auf in anderen EU-Staaten vollzogene Privatscheidungen von Unionsbürgern stellt sich überdies die übergreifend grundsätzliche Frage, unter welchen Voraussetzungen für eine Wirksamkeitsprüfung dieser rechtsgestaltenden Rechtsgeschäfte nach dem anwendbaren Sachrecht im Inland – sei es im Anerkennungsverfahren nach § 107 Abs. 1 S. 1 FamFG, sei es als Vorfrage in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren – überhaupt Raum ist. Solange der EuGH nicht präzisiert, wann eine Scheidung "unter der Kontrolle" einer Behörde oder eines Gerichts ausgesprochen wird, ist wegen des vom Gerichtshof verfochtenen Auslegungsgleichlaufs zwischen der Rom III-VO und der Brüssel IIa-VO (vgl. Erwgr. 10 S. 1 Rom III-VO) ungewiss, ob eine nach Art. 21 Brüssel IIa-VO automatisch anzuerkennende "Entscheidung" i.S.v. Art. 2 Nr. 4 Brüssel IIa-VO auch dann gegeben ist, wenn der fragliche Hoheitsakt sich darin erschöpft, eine durch Parteivereinbarung bewirkte Auflösung der Ehe zu beurkunden oder zu registrieren. Endlich wirft das – Privatscheidungen ausdrücklich einbeziehende – Anerkennungssystem der Art. 65 ff. Brüssel IIb-VO schon vor Geltungsbeginn der reformierten Verordnung mehrere noch klärungsbedürftige Fragen auf, die hier zumindest aufgezeigt werden sollen.