Gerd Uecker
Das Jahr 2020 liegt nun hinter uns. Die Corona-Pandemie wirft vielfältigste familienrechtliche Fragen auf und schafft organisatorische Probleme.
Welche Einkünfte und öffentliche Mittel z.B. bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen sind, ist ebenso ungeklärt, wie die Beantwortung der einfachen Frage danach, ob auch dann eine Herabsetzung des Unterhalts geschuldet ist, wenn nur eine zeitlich begrenzte und vorübergehende Herabsetzung des Einkommens stattfindet. Dies gilt vor allen Dingen bei der Durchschnittsberechnung von Einkünften Selbstständiger.
Auch die Organisation der Gerichte und die Dauer von Unterhaltsverfahren führt häufig dazu, dass Wünsche nach einer vorübergehenden Abänderung des Unterhaltsanspruchs an tatsächlichen Hürden scheitern. Wünschenswert wäre es, wenn wir alle darum bemüht wären, für die Betroffenen vorübergehende angemessene außergerichtliche Lösungen zu finden.
Auffällig ist, dass mit den Veränderungen im Jahr 2020 und der Umstrukturierung der Arbeitswelt mit der höheren Bedeutung des Home-Office auch das Wechselmodell bei getrennt lebenden Ehegatten immer größere Bedeutung erlangt. Ob die besondere Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit beider Eltern bei der Einrichtung des Wechselmodells weiterhin unabdingbare Voraussetzung sein sollte, müsste kritisch überprüft werden. Der Unterschied zwischen Wechselmodell und erweitertem Umgang ist häufig nur graduell, sodass der Schritt vom erweiterten Umgang bis hin zum Wechselmodell mit nicht allzu viel Hürden verbunden werden sollte.
Auch ansonsten gibt es unabhängig von Corona eine Reihe offener Fragen. Diese betreffen vor allen Dingen auch den Zugewinnausgleich. Ungeklärt ist aus meiner Sicht die Behandlung latenter Ertragsteuerlasten im Anfangsvermögen ebenso, wie die Berechnung der latenten Ertragsteuer insgesamt. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Behandlung latenter Ertragsteuern ist nicht einheitlich. Teilweise wird isoliert ohne Berücksichtigung steuerlicher Details auf Seiten des Vermögensinhabers überprüft, ob bei einem fiktiven Verkauf einer noch steuergefangenen Immobilie oder einer Unternehmensbeteiligung grundsätzlich Ertragsteuern anfallen. Teilweise wird auch verlangt, dass eine fiktive Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum im Stichtag erstellt wird, um die Berechnung der individuellen Steuerlast zu ermöglichen. Die Behandlung latenter Vorfälligkeitsentschädigungen ist noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Teilweise wird die latente Vorfälligkeitsentschädigung ebenso wie die latente Ertragsteuerlast in die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens mit einbezogen.
Im internationalen Privatrecht führt die gesteigerte Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union und der Zuzug aus Staaten außerhalb der Europäischen Union zu rechtlichen Folgewirkungen. Dies betrifft zunächst die Behandlung der Doppelehe, aber auch die Ehe von Minderjährigen. Es bedarf immer wieder einer Überprüfung, ob das jetzige System ausreicht, um besonders schutzbedürftigen verheirateten Minderjährigen den maximalen Schutz der Rechtsordnung zu gewähren.
Der Erwerb von Vermögen ausländischer Ehegatten, die in Deutschland leben, führt ebenfalls gelegentlich zu Problemen, und zwar dann, wenn die Ehegatten im ausländischen Güterrecht geheiratet haben. Liegt eine nach ausländischem Recht bestehende Gütergemeinschaft oder Errungenschaftsgemeinschaft vor, so wirkt sich dies auch auf den Vermögenserwerb im Inland aus. Erwerben Ehegatten, die im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft leben, beispielsweise in Deutschland ein Grundstück, so werden sie grundsätzlich gemeinschaftliche Miteigentümer des Grundstücks, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft lediglich von einem Ehegatten vollzogen worden ist. Gegebenenfalls muss das Grundbuch berichtigt werden.
Diese und viele andere Rechtsfragen suchen auch im kommenden Jahr nach einer Beantwortung. Es bleibt in vielfältiger Hinsicht familienrechtlich spannend.
Ich wünsche Ihnen für das Jahr 2021 privat und beruflich alles Gute.
Autor: Gerd Uecker
Gerd Uecker, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Hamburg
FF 1/2021, S. 1