Katrin Bender
Das neue Jahr liegt frisch und neu, wie ein unbeschriebenes Blatt vor uns. Ein Jahr, das wir mit einer neuen Bundesregierung beginnen, die sich noch im alten Jahr auf ihr Blatt geschrieben hat, das Familienrecht zu modernisieren.
Ein Schritt, der dringend nötig ist: bildet doch unser derzeitiges Familienrecht die tatsächlich gelebten Familienstrukturen an vielen Stellen nicht (mehr) ab.
Im Koalitionsvertrag heißt es u.a.: "Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen."
Derzeit bedarf es, um rechtlich volle Verantwortung für eine andere volljährige Person übernehmen zu können und zu dürfen, entweder der Bestellung als Betreuer(in) oder aber einer ausdrücklichen Bevollmächtigung, etwa im Wege einer Vorsorgevollmacht.
Da klingt der Begriff des "Instituts der Verantwortungsgemeinschaft" vielversprechend. Auf die Umsetzung dürfen wir gespannt sein. Denn auch die Ehe reicht (derzeit) nicht aus, um den anderen Partner rechtlich vertreten zu können.
Weiter heißt es im Koalitionsvertrag – und da wird es hinsichtlich der Frage der Elternschaft spannend –, dass ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren eingeführt werden soll, in dem ein Kind seine Abstammung klären lassen kann, ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen. Gibt es dann zukünftig auch mehr als zwei Elternteile?
Letztlich würde das die tatsächlichen "Verhältnisse" abbilden, in welchen viele Kinder heute schon leben. So kenne ich es auch bei einer Freundin von mir. Sie ist mit einer Frau verheiratet, gemeinsam haben sie zwei Töchter. Mit zur Familie gehört der "biologische" Vater und zwar wiederum mit seiner gesamten Familie. Entsprechend groß und bunt sind die Familienfeste. Nur rechtlich ist es so, dass der biologische Vater und seine biologische Familie derzeit keinerlei Rechte (und Pflichten) haben – und die beiden Kinder in Bezug auf ihren biologischen Vater ebenso wenig.
Warum sollen hier nicht untereinander ebenfalls Rechte (und Pflichten) bestehen?
Und im nächsten Schritt die Frage: an welcher Stelle ist dann "Schluss"? Schon bei drei Elternteilen? Oder müssten es nicht mitunter auch vier Elternteile sein können?
Denn wenn etwa im Fall meiner Freundin der biologische Vater und beide Mütter zukünftig Eltern sind – der biologische Vater nun aber wiederum ebenfalls einen Partner hat, verheiratet ist – und gegebenenfalls gar das Wechselmodell gelebt wird: sollte dann nicht auch dieser rechtlich Elternteil sein können und Rechte und Pflichten haben?
Allerdings ist es alleine mit einer Modernisierung des Familienrechts nicht getan. Das zeigt die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.11.2021, in der ein Anspruch gleichgeschlechtlicher Paare auf eine Kinderwunschbehandlung gegen die gesetzlichen Krankenkassen abgelehnt wurde. Soweit aber künftig das Familienrecht die Elternschaft neu definiert, passt die Regelung des § 27a SGB V meines Erachtens nicht mehr, was im Zuge der gesetzgeberischen Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgehaltenen Aspekte hoffentlich berücksichtigt werden wird.
Und das Erbrecht nicht zu vergessen, an welches der Gesetzgeber dann auch dringend "ran" müsste, um es an die Lebensverhältnisse vieler Familien in Deutschland anzupassen.
Auch wenn die Ausführungen im Koalitionsvertrag an einigen Stellen alles andere als juristisch klingen – vielleicht liegt gerade darin die Chance, das Familienrecht mit Blick auf die Elternschaft endlich an die tatsächlich gelebten Familienstrukturen heranzuführen und in die Gegenwart zu holen, was längst überfällig ist! Quo vadis Familienrecht? Vade Familienrecht!
Das neue Jahr wird also spannend und für Sie möge es ein Gutes werden!
Autor: Katrin Bender
Katrin Bender, Rechtsanwältin und Notarin, Fachanwältin für Familienrecht, Worpswede
FF 1/2022, S. 1