Sieht man mit dem BGH anders als nach der hier vertretenen Auffassung eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle als notwendig an, kann diese durch eine veränderte Bemessung der Einkommensgruppen oder die Steigerung der Bedarfssätze zwischen den Einkommensgruppen erfolgen.[23] Dazu gibt es in der Literatur mehrere Vorschläge, u.a. von Viefhues,[24] Borth[25] und der Unterhaltskommission des DFGT e.V.[26] Diese sollen hier nicht im Einzelnen dargestellt werden, es reicht die grobe Zusammenfassung aus, dass Viefhues sich für 14 zusätzliche Einkommensgruppen mit Schritten von jeweils 400,– EUR und einem höchsten Pauschalbedarf von 272 % des Regelbedarfs ausspricht, Borth für 10 zusätzliche Einkommensgruppen mit Schritten von 550,– EUR und einem höchsten Pauschalbedarf von 240 % des Regelbedarfs und die Unterhaltskommission des DFGT für 5 zusätzliche Einkommensgruppen bei steigenden Einkommensschritten und einem höchsten Pauschalbedarf von 200 % des Regelbedarfs. Dose/Rubenbauer[27] haben sich dem Vorschlag von Borth angeschlossen, insbesondere um sonst ausbleibende oder überhöhte Sprünge zwischen den einzelnen Einkommensgruppen zu vermeiden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die oben beschriebenen Gefahren eines nachlassenden Wirklichkeitsbezugs der pauschalen Unterhaltsbemessung und damit einer schwindenden Akzeptanz der Düsseldorfer Tabelle mit einer höheren Anzahl von Einkommensgruppen nicht abnehmen, sondern im Gegenteil steigen. Auch der Entscheidungsspielraum der Eltern hinsichtlich der Teilhabe ihrer Kinder am steigenden Wohlstand muss bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen zunehmen,[28] um dem elterlichen Erziehungsprimat gem. Art. 6 I GG ausreichend Rechnung zu tragen. Der BGH selbst hat im Beschl. v. 16.9.2020 einen größeren Zuschnitt der Einkommensgruppen in gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen ausdrücklich für möglich erklärt. Dem trägt der Vorschlag von Viefhues nicht und derjenige von Borth nur sehr zurückhaltend Rechnung. Überzeugen kann deshalb allein der Vorschlag der Unterhaltskommission des DFGT, der wohl auch Grundlage der Düsseldorfer Tabelle für 2022 werden wird .[29] Die von Dose/Rubenbauer angesprochenen Bedenken wegen im Einzelfall überhöhter oder ausbleibender Sprünge lassen sich auch ohne eine Vielzahl von Einkommensgruppen überzeugend lösen, indem der Anwender im Rahmen der bei jeder Unterhaltsberechnung ohnehin gebotenen Angemessenheitsprüfung im Einzelfall z.B. eine Herab- oder Heraufgruppierung in der Tabelle vornimmt. Dass der BGH in einer Entscheidung vom 29.9.2021[30] in Bezug auf den Meinungsstand zur Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle überraschend nur den Borths Vorschlag zustimmenden Beitrag von Rubenbauer/Dose zitiert, mag als Tendenz für eine künftige Entscheidungspraxis gewertet werden.[31] Es ist aber zu hoffen, dass der BGH die weitere Diskussion dieser Frage in Rechtsprechung und Literatur verfolgen und bei seiner künftigen Rechtsprechung berücksichtigen wird.

[23] Unterhaltskommission des DFGT e.V., FamRZ 2021, 923 = Niepmann/Denkhaus/Schürmann, FamRB 2021, 348 unter II.4.
[24] FF 2021, 5.
[25] FamRZ 2021, 339.
[26] S. FamRZ 2021, 923 = Niepmann/Denkhaus/Schürmann, FamRB 2021, 348.
[27] Dose/Rubenbauer, NZFam 2021, 661, 666.
[28] Wie hier Unterhaltskommission des DFGT e.V., FamRZ 2021, 923 = Niepmann/Denkhaus/Schürmann, FamRB 2021, 348 unter II.5.
[29] Die Düsseldorfer Tabelle für 2022 lag bei Fertigstellung dieses Beitrags noch nicht vor.
[31] So Niepmann, NZFam 2021, 1011, 1012.

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