1. Die Wohnkostenansätze im Selbstbehalt wurden deutlich erhöht: Im Jahr 2023 steigen sie im notwendigen Eigenbedarf von 430 EUR Warmmiete auf neu 520 EUR/Monat (+ 90 EUR) und beim angemessenen Eigenbedarf von 550 EUR im Jahr 2022 auf nunmehr 650 EUR/Monat (+ 100 EUR).
2. Die Wohnkosten stellen seit Jahren bereits das "Sorgenkind" der Düsseldorfer Tabelle dar: Denn unter den verschiedenen Einzelpositionen des Selbstbehalts stellen sie nach wie vor die bedeutsamste und einzige variable Größe dar, die sich zudem nicht sachgerecht pauschalieren lässt. Tatsächlich variieren die Kosten der Unterkunft im bundesweiten Vergleich unverändert extrem stark: Nach den von Heinrich Schürmann, VorsRiOLG a.D. und stellvertretendem Vorsitzenden der Unterhaltskommission im November 2022 präsentierten Zahlen besteht eine Bandbreite der nach dem SGB II von den Jobcentern übernommenen, durchschnittlichen monatlichen Wohnkosten zwischen 340 EUR (Sachsen-Anhalt) und 341 EUR (Sachsen) bis zu Monatssätzen von bis zu 466 EUR (Bayern) bzw. 472 EUR (Hessen).
3. Nach allem, was sich abzeichnet, spreizen sich die Wohnkosten immer mehr auf – das "Gefälle" zwischen extrem teuren Metropolregionen in Ost und West und eher ländlichen oder strukturschwachen Gegenden fernab der Ballungsgebiete nimmt eher zu als ab. Die Trennlinie zwischen einem hochpreisigen Stadtbezirk nebst dem unmittelbaren Umland und weiter entfernten, ländlichen Gegenden mit günstigeren Mieten (aber höheren Fahrtkosten!) verläuft manchmal direkt durch den Gerichtsbezirk. Weitere Verschärfung erfährt die Problematik, weil bisweilen zwar höhere Fahrtkosten aus dem Umland (bei moderaten Wohnkosten), nicht jedoch die Ansätze in der Düsseldorfer Tabelle übersteigende Wohnkosten bei geringeren Fahrtkosten akzeptiert werden.
4. Eine "Regionalisierung" der Wohnkosten, also etwa dergestalt, dass im Einzelfall beispielsweise die von dem örtlichen Jobcenter anerkannten Mietobergrenzen als Einsatzwert für den Wohnkostenansatz im Selbstbehalt herangezogen würden, wäre zwar grundsätzlich denkbar. Aber derartige Überlegungen stoßen bislang auf fast einhellige Ablehnung. Denn der allgemein gewünschte, aus der Düsseldorfer Tabelle leicht ablesbare, gut vergleichbare Unterhaltssatz wäre dann wahrscheinlich Vergangenheit. Stattdessen würden die Unterhaltssätze – bei vergleichbaren Einkommen und gegebener Leistungsfähigkeit – voraussichtlich weitaus stärker differieren als heute und es käme zu einer größeren Intransparenz bzw. mangelnder Vergleichbarkeit. Und es würden sich erhebliche neue, schwierige Probleme in den (praktisch sehr häufigen!) Konstellationen ergeben, in denen der Unterhaltspflichtige mit weiteren Personen – etwa einem neuen Partner und weiteren Kindern – zusammenlebt, so dass die Wohnkosten zunächst auf mehrere "Schultern" umzulegen sind, bevor sie Eingang in die Unterhaltsberechnung finden können.
5. Deshalb bleiben die Wohnkosten wie bislang das Ergebnis einer Abstimmung zwischen der Unterhaltskommission und den Vertretern der Oberlandesgerichte auf der Grundlage der Erfahrungen in den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken, die zu einem gemittelten (Kompromiss-) Wert zusammengeführt werden, mit dem sichergestellt ist, dass es auch künftig bei bundeseinheitlich geltenden Selbstbehaltssätzen verbleibt. Dem Ausgleich von im Einzelfall besonders hohen, aber gleichwohl angemessenen Wohnkosten dient der unverändert gebliebene Hinweis in der Tabelle (Anm. A 5 DT 2023, am Ende), wonach der notwendige bzw. der angemessene Eigenbedarf erhöht werden soll, wenn die Wohnkosten 520 EUR/Monat (beim notwendigen Eigenbedarf) bzw. 650 EUR/Monat (beim angemessenen Eigenbedarf) übersteigen und nicht unangemessen sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Anmerkungen zur Düsseldorfer Tabelle nicht von allen Oberlandesgerichten übernommen werden, sondern vielfach nur das "Zahlenwerk" mit der Folge, dass die Anmerkungen zur Tabelle durch die Hinweise in den jeweiligen unterhaltsrechtlichen Leitlinien ersetzt werden.