Die Entscheidung des OLG Hamm[5]:

Die beteiligten Ehegatten trennten sich am 1.7.2015. M zahlte Trennungsunterhalt bis Februar 2017. In diesem Monat erhielt er eine Abfindung des damaligen Arbeitgebers von 69000EUR, wobei das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28.2.2017 endete. M stellt seine Unterhaltszahlungen ab März 2017 ein.[6] Er unterlag im Unterhaltsrechtsstreit für die Zeit bis zur Rechtskraft des Eheaufhebungsbeschlusses (§ 1313 BGB). Das Amtsgericht berücksichtigte hierbei die erhaltene Abfindung in voller Höhe des Nettobetrages[7] als Einkommen. Diese Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht gehalten.

M hatte sich gegen die Berücksichtigung der Abfindung mit deren Verbrauch, also mit diesbezüglicher Leistungsunfähigkeit, verteidigt. Da sie nicht mehr vorhanden war, dürfe sie auch nicht berücksichtigt werden. Unstreitig war der Abfindungsbetrag für die Anschaffung einer Küche, eines Pkw, für die Rückführung eines privaten Darlehens, Bordellbesuche und Partys draufgegangen.

Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung unter drei Aspekten begründet: ist die Abfindung überhaupt zu berücksichtigen, falls ja, in welcher Höhe und ändert sich daran etwas, weil die Abfindung wegen der Ausgaben des M nicht mehr vorhanden war?

Abfindungen aus Arbeitsverhältnissen hätten, so das Oberlandesgericht, regelmäßig Lohnersatzfunktion und seien deshalb Einkommen. Sei die Abfindung nicht mehr vorhanden, könne sich der Unterhaltsschuldner auf seine Leistungsunfähigkeit nur dann berufen, wenn er nicht unterhaltsbezogen leichtfertig oder verantwortungslos gehandelt hat (Hinweis auf BGH FamRZ 2008, 1163; OLG München FamRZ 1998, 559; OLG Celle FamRZ 1992, 590). Die Abfindungssumme diene als Ersatz des fortgefallenen Arbeitseinkommens und sei daher im Rahmen einer sparsamen Wirtschaftsführung zur Deckung des nach den früheren ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhaltsbedarfs zu verwenden. Sie sei zeitlich so zu verteilen ist, dass der angemessene Bedarf des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltspflichtigen in bisheriger Höhe sichergestellt bleibt (Hinweis auf Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn 94).

Diese Begründung folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s.u.). Daher musste sich das Oberlandesgericht nicht mit der Frage befassen, wann welche der eingewendeten Ausgaben getätigt wurden, denn die Abfindung war zum Beginn des Verzugszeitraums noch vollständig vorhanden und es liegt fern, dass alle Ausgaben sofort getätigt wurden. Es kam aus Rechtsgründen nicht darauf an.

Arbeitsrechtlich kann eine Abfindung

der zukunftsbezogenen Entschädigung für Lohneinbußen (so bei einer Sozialplanabfindung),
als Gegenleistung für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage
als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstands.[8]

dienen.

Zur Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Abfindungen liegt folgende BGH-Rechtsprechung vor, aus der sich zunächst ergibt, dass die genannte arbeitsrechtliche Differenzierung beim Unterhalt im Ergebnis keine ausschlaggebende Rolle spielt. Es kommt – entscheidend – auf den Verlauf der Erwerbsbiografie des Unterhaltsschuldners ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses an: hat er eine neue Arbeitsstelle gefunden oder nicht und falls ja, verdient er dort weniger als zuvor, gleich viel oder sogar mehr und welche dieser Möglichkeiten ist für die Zukunft mit belastbarer Wahrscheinlichkeit zu erwarten (Prognoseentscheidung)?

Hierzu der BGH am 18.4.2012:[9] "Aus der arbeitsrechtlichen Qualifikation der Abfindung lässt sich indessen noch keine zwingende Vorgabe für deren unterhaltsrechtliche Behandlung entnehmen. Die Heranziehung der Abfindung ist vielmehr vorwiegend nach unterhaltsrechtlichen Regeln zu beurteilen." "Ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen geboten ist und der bisherige Lebensstandard vollständig aufrechterhalten werden muss, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen, insbesondere auch nach der vom Unterhaltspflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung."

Nach früherer BGH-Rechtsprechung war der Unterhaltsbedarf ausschließlich nach dem aktuellen Arbeitseinkommen zu bemessen und die Abfindung daher nicht zu berücksichtigen.[10]

Diese Auffassung hat er nicht aufrechterhalten. Er unterscheidet heute nach den o.g. Fallgruppen (Zeiträumen) vorbehaltlich weiterer Einzelfallumstände:[11]

Bei vollständig weggefallenem Einkommen erhöht die Abfindung den – neuen, zunächst geringeren, ggf. unter Berücksichtigung von Lohnersatzleitungen festzustellenden – Bedarf und damit den Unterhaltsanspruch bis zur vorherigen Höhe. Sie dient dazu, die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum Eintritt in das Rentenalter aufrecht erhalten zu können. Im Übrigen (mit dem durch den Unterhalt nicht verbrauchten Restbetrag) steht sie in diesem Fall für den Zugewinnausgleich zur Verfügung.[12]

Neues, aber niedrigeres Einkommen erhöht den – neuen, zunächst geringeren – Bedarf und stockt damit den Un...

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