1 Scheidung
OLG Bamberg, Beschl. v. 28.4.2022 – 7 UF 66/22
1. Die strafrechtliche Verurteilung des Antragsgegners aufgrund der sexuellen Belästigungen der gemeinsamen Tochter stellt erkennbar eine objektive unbillige Härte dar, bei der ein besonnener Ehegatte wohlüberlegt nicht mehr an der Ehe festhalten würde. Das Abwarten des Trennungsjahres ist – wegen der strafrechtlichen Verurteilung zulasten der gemeinsamen Tochter – damit bloßer Formalismus und daher nicht geschuldet.
2. Unbeachtlich ist, dass die Verurteilung aus einem Verhalten gegen die Tochter und nicht gegen die Ehefrau resultiert, denn auch eine Zuordnung nach Sphären ist möglich. Belastet ein Verhalten des Antragsgegners unmittelbar einen Angehörigen der Antragstellerin, so kann hierin auch eine unbillige Härte liegen.
3. Es kommt nicht darauf an, ob das Geschehen sich tatsächlich zugetragen hat. Allein die rechtskräftige Verurteilung ist ausreichend, um aus objektiver Sicht den Ehepartner nicht am Trennungsjahr festzuhalten:
2 Ehewohnung
OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.7.2022 – 6 UF 87/22
1. Eine unbillige Härte i.S.d. § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn in Bezug auf die noch in der Ehewohnung mit der Mutter verbliebenen Kinder die abstrakte Befürchtung einer Destabilisierung der Kinder durch einen Umzug mit der Folge des etwaigen Verlusts der sozialen Bindungen in den Bildungseinrichtungen, im Freundeskreis und bei Vereinen besteht und die Mutter während der Trennungszeit keinerlei Anstrengungen zur Suche von Ersatzwohnraum unternommen hat.
2. Begehrt der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung nach § 1568a Abs. 1 BGB an sich, gilt der Maßstab von § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend, so dass ihm der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann.
3 Kindesunterhalt
OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.11.2022 – 1 WF 138/22
Das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment kann trotz einer bereits vorhandenen Titulierung durch Jugendamtsurkunde ausnahmsweise gegeben sein, obwohl etwaige Vollstreckungsversuche wegen der Leistungsunfähigkeit des Schuldners voraussichtlich erfolglos geblieben wären. Dies kommt in Betracht, wenn die Unterhaltsvorschussstelle einen Unterhaltsschuldner nicht über die Möglichkeit der Titelumschreibung und Vollstreckung aus der bereits über 15 Jahre nicht mehr relevant gewesenen Jugendamtsurkunde informiert, sondern für den Fall der Nichterteilung der angeforderten Auskunft und der Nichtzahlung einen Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren androht.
4 Versorgungsausgleich
BGH, Beschl. v. 5.10.2022 – XII ZB 74/20
…
b) Ein Antrag auf Wertausgleich nach der Scheidung kann nicht erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt werden, wenn das Amtsgericht in der ersten Instanz allein über den Wertausgleich bei der Scheidung entschieden hat (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 7.3.1990 – XII ZB 14/89, FamRZ 1990, 606).
c) Zur Bewertung von Versorgungsanrechten des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. …
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.10.2022 – 20 UF 98/22
Liegt bei einer fondsgebundenen betrieblichen Altersversorgung nach den in zeitlicher Nähe zur erwarteten Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts eingeholten Auskünften des Versorgungsträgers der Wert der Investmentfondsanteile deutlich unter der garantierten (Mindest-)Versorgungsleistung ist nur der höhere Wert der Garantieleistung in der Beschlussformel auszuwerfen (Abgrenzung zu BGH FamRZ 2017, 1655).
5 Sorge- und Umgangsrecht
BGH, Beschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 150/19
a) Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 6.2. – XII ZB 408/18, FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).
b) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Während die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Sorge nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich bei ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig ist, können weniger einschneidende Eingriffe, zu denen die im Katalog des § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB exemplarisch aufgeführten Maßnahmen zählen, bereits im Fall einer nicht überwiegend wahrscheinlichen Gefahr angemessen sein, soweit es um die Abwehr einer massiven Rechtsgutbeeinträchtigung geht (Fortführung der Senatsbeschl. v. 6.2.2019 – XII ZB 408/18, FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 10...