Der starke Anstieg der "Eckwerte", die die Grundlage sowohl für die Bedarfssätze als auch die Selbstbehaltssätze der Unterhaltstabelle bilden, hat – obwohl die Ursachen dafür an anderer Stelle zu suchen sind – zu mannigfacher Kritik an der Düsseldorfer Tabelle geführt:
a) Zurück zum "Zwickauer Schlüssel"?
So wird von manchen lebhaft eine "Schieflage" der Unterhaltstabelle beklagt, die den notwendigen Eigenbedarf der "Trennungseltern" nicht mehr ausreichend berücksichtigen soll. Gefordert wird eine Umstellung der Unterhaltsbemessung. Es soll "familienintern" gerechnet werden. Ausgangspunkt soll nicht mehr der statistisch ermittelte Bedarf eines Kindes sein ("familienexterne Rechengröße"), sondern der Unterhaltsanspruch des Kindes soll sich von vornherein nur an den tatsächlich vorhandenen Mitteln ausrichten, die proportional, als ein bestimmter Prozentsatz der vorhandenen Einkünfte, unter allen Unterhaltsberechtigten verteilt werden sollen.
Der Vorschlag ist nichts anderes als ein "Rückfall in vergangene Zeiten" – er lässt nämlich den längst überholten "Zwickauer Schlüssel" wiederauferstehen: Der "Zwickauer Schlüssel" wurde ursprünglich – bereits vor dem zweiten Weltkrieg – von sächsischen Gerichten entwickelt, um im Rahmen der Lohnpfändung den pfändungsfreien Betrag nach § 850d ZPO zu ermitteln, der dem Vollstreckungsschuldner zu belassen ist, damit dieser die eigenen Unterhaltspflichten bedienen kann. Der Ansatz, den einzelnen Unterhaltsbetrag als feste Quote des vorhandenen Einkommens des Schuldners zu bestimmen, fand alsbald Eingang in das Unterhaltsrecht. Stark vergröbernd sah der "Schlüssel" in etwa eine Dreiteilung des Schuldnereinkommens vor: Ein Drittel entfiel auf die Ehefrau, ein weiteres Drittel war unter allen vorhandenen Kindern zu verteilen und das letzte Einkommensdrittel verblieb dem Schuldner für sich. Eine zeitgenössische Begründung, um die Quotelung nach dem "Zwickauer Schlüssel" zu rechtfertigen, lautete beispielsweise: "Dem Mann müsse grundsätzlich der größere Teil des […] Einkommens verbleiben … ". Das zeigt klar auf, wohin "die Reise gehen" soll: Folgt man diesem Vorschlag, bliebe der Unterhaltsbedarf des Kindes in der Mehrzahl der Fälle voraussichtlich ungedeckt. Dagegen würde der (Bar-) Unterhaltsschuldner leistungsfrei und der andere, betreuende Elternteil müsste im Rahmen seiner Ausfallhaftung für den Kindesunterhalt aufkommen oder das Kind würde auf staatliche Transferleistungen verwiesen.
Davon abgesehen, verstößt die Forderung aber auch gegen geltendes Recht: Im Anschluss an die Kritik – die letztlich zur ersatzlosen Aufgabe des "Zwickauer Schlüssels" geführt hat – hat der Gesetzgeber nach und nach – zuletzt in aller Deutlichkeit mit der Unterhaltsrechtsreform 2008 – den Kindesunterhalt "nach unten" plafoniert und in § 1612a Abs. 1 BGB einen flexiblen Unterhaltsbedarfs-Satz festgelegt, den jeder Unterhaltsschuldner mindestens leisten soll: Der Ansatz, die Untergrenze des zu leistenden Kindesunterhalts an eine objektive, statistisch ermittelte Größe – das sächliche Existenzminimum des minderjährigen Kindes – anzuknüpfen, gilt nicht nur in Deutschland mit dem Gesetzesbefehl in § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern hat sich auch in den deutschen Nachbarländern, etwa in der Schweiz oder in Österreich, gut bewährt.