1. In Zeiten des früheren Altersphasenmodells war der Betreuungsunterhalt der Hauptfall überobligatorischer Einkünfte. Seit der Reform des § 1570 BGB und der daraus folgenden grundsätzlichen Arbeitspflicht des betreuenden Elternteils ab dem dritten Geburtstag des Kindes sowie der Verstärkung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) ist die Problematik in diesem Bereich deutlich zurückgegangen.
2. Die frühere Streitfrage, ob Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit bedarfsprägend sind oder nicht, hat der BGH i.S.d. Prägung entschieden. Das ist dogmatisch zweifelhaft, weil die Tätigkeit ohne unterhaltsrechtliche Folgen jederzeit aufgegeben werden kann und es deshalb an der Nachhaltigkeit fehlt. Klarheit schafft eine Trennung zwischen der Bedarfsprägung (§ 1578 BGB) einerseits und Fragen der Anrechnung (§ 1577 Abs. 2 BGB) andererseits. Erkennbar ist die Rechtsprechungsänderung auch eine Konsequenz der Surrogat-Rechtsprechung und der Vermeidung unbilliger Ergebnisse durch die Anrechnungsmethode.
3. Der Betreuungsbonus hat grundsätzlich seine Berechtigung verloren, weil sich eine Einbeziehung auch des überobligatorischen Einkommens in die Differenzberechnung bedarfserhöhend auswirkt und der unterhaltsrechtlich nicht relevante Anteil bei Bedarf und Bedürftigkeit unbeachtlich ist.
4. Bei der Bestimmung des anrechnungsfreien Teils des aus überobligatorischer Tätigkeit stammenden Einkommens verdient ein quotaler Abzug den Vorzug vor einem pauschalierten Bonus. Maßgeblich sind die Obliegenheiten nach §§ 1570 – 1573 BGB.
5. Um dem vom BGH anerkannten "Massenphänomen Unterhalt" Rechnung zu tragen, kann – jedenfalls als Ausgangswert – ein Abzug in Höhe von 1/3 des überobligatorischen Erwerbseinkommens gewählt werden, sodass dieser Teil anrechnungsfrei bleibt. Dem Erfordernis der Billigkeitsprüfung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles wird genügt, weil den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit offensteht, konkreten Sachvortrag zur Notwendigkeit von Abweichungen zu bringen und das Gericht sein Schätzungsermessen (§ 287 ZPO) fallbezogen ausüben kann. Wird nicht hinreichend vorgetragen und sind Abweichungen deshalb nicht veranlasst, führt die Quote zu Justizentlastung und Beschleunigung des Verfahrens.
Autor: Prof. Dr. Winfried Born, Fachanwalt für Familienrecht, Dortmund
FF 1/2024, S. 16 - 25