BGB § 1371 § 1569 ff.; FamFG § 49 ff. § 56; ZPO § 767
Leitsatz
1. Ein im einstweiligen Anordnungsverfahren zum Trennungsunterhalt geschlossener Vergleich besteht, wenn eine Hauptsacheentscheidung zum Trennungsunterhalt noch nicht ergangen ist, über den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung hinaus fort und regelt nunmehr nicht länger den Trennungsunterhalt, sondern den nachehelichen Unterhalt zwischen den Beteiligten. Um einen vorübergehenden regelungslosen Zustand zu vermeiden, tritt die Wesensverschiedenheit zwischen dem Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt insoweit zurück.
2. Die Vollstreckung laufenden Unterhalts aus einem solchen Vergleich bleibt bis zur endgültigen Regelung des nachehelichen Unterhalts zulässig.
(Leitsätze der Redaktion)
OLG Hamm, Beschl. v. 4.10.2012 – 3 UF 215/12 (AG Herne)
1 Aus den Gründen:
… In der Sache ist die sofortige Beschwerde ebenfalls begründet.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 S. 1 ZPO für die Verteidigung der Antragsgegnerin gegen das Vollstreckungsabwehrbegehren des Antragstellers in der Hauptsache zu bejahen.
1. Zutreffend geht das Familiengericht in der angegriffenen Entscheidung v. 28.8.2012 davon aus, dass die Beteiligten unter Ziff. 5 ihres Vergleichs vom 27.5.2010 im Vorverfahren … Ansprüche der Antragsgegnerin lediglich auf Trennungsunterhalt und nicht auch auf nachehelichen Unterhalt geregelt haben. Dabei hat es insbesondere darauf hingewiesen, dass das Ehescheidungsverfahren zwischen den Beteiligten … erst im Folgejahr 2011 eingeleitet worden ist.
2. Ferner ist anzunehmen, dass der Vergleich im Vorverfahren … etwaige Ansprüche der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller auf Trennungsunterhalt noch nicht abschließend in der Hauptsache regeln sollte. Denn die Beteiligten wollten ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 27.5.2010 bezüglich ihrer Unterhaltsstreitigkeiten "zunächst" eine "vorläufige" Lösung treffen. Einerseits stand ein Versöhnungsversuch zwischen ihnen im Raum. Andererseits waren streitige Punkte im Hinblick auf verschiedene Darlehensbelastungen noch nicht umfassend geklärt.
Deshalb wollten sich beide Beteiligten die Möglichkeit einer jederzeitigen Abänderbarkeit (nach § 54 Abs. 1 FamFG) vorbehalten. Von einer detaillierten Aufnahme der Berechnungsgrundlagen haben sie bewusst abgesehen.
Vor diesem Hintergrund geht der verfahrensgegenständliche Vergleich vom 27.5.2010 in seinen Wirkungen über eine einstweilige Anordnung in der Form eines familiengerichtlichen Beschlusses nicht hinaus (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.1983 – IVb ZR 365/81, FamRZ 1983, 892, juris Rn 10; Wendl/Staudigl/Schmitz, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., § 10 Rn 423).
3. Schließlich ist der Vergleich vom 27.5.2010 nach wie vor wirksam. Insbesondere eine anderweitige Regelung im Sinne von § 56 Abs. 1 FamFG lässt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht feststellen.
Es wird nicht übersehen, dass die Rechtskraft der Ehescheidung zwischen den Beteiligten … am 19.5.2012 eingetreten ist. Der diesbezügliche Beschluss vom 5.4.2012 erfüllt den Tatbestand des § 56 Abs. 1 FamFG nicht. Denn das Ehescheidungsverfahren betraf einen anderen Verfahrensgegenstand als die Unterhaltsproblematik, welche dem einstweiligen Anordnungsverfahren … zugrunde gelegen hat (vgl. Keidel/Giers, FamFG, 17. Aufl., § 56 Rn 3). Eine Hauptsacheentscheidung zum Trennungsunterhalt ist ebenfalls noch nicht ergangen.
4. Besteht der Vergleich vom 27.5.2010 demnach hinsichtlich seiner vorläufigen Regelung zum Trennungsunterhalt auch über den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung am 19.5.2012 hinaus fort, regelt er nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nunmehr nicht länger den Trennungsunterhalt, sondern den nachehelichen Unterhalt zwischen den Beteiligten. Um einen vorübergehenden regelungslosen Zustand zu vermeiden, tritt die Wesensverschiedenheit zwischen dem Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt insoweit zurück (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1984 – IVb ZR 36/83, FamRZ 1985, 51, juris Rn 8; Wendl/Staudigl/Schmitz, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., § 10 Rn 423).
5. Unter diesen Umständen ist für die Zeit nach Rechtskraft der Ehescheidung die Vollstreckung laufenden Unterhalts aus einem Vergleich selbst dann grundsätzlich zulässig, wenn er in einem einstweiligen Anordnungsverfahren zum Trennungsunterhalt beschlossen worden ist. Allein der Umstand, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt durch die Rechtskraft der Ehescheidung in materieller Hinsicht erloschen ist, rechtfertigt die Erklärung der Unzulässigkeit der Vollstreckung aus dem Vergleich im Rahmen eines Vollstreckungsabwehrverfahrens nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 767 ZPO nicht (BGH, Urt. v. 26.10.1984 – IVb ZR 36/83, FamRZ 1985, 51, juris Rn 8).
2 Anmerkung
Die Entscheidung erscheint aus drei Gründen bemerkenswert:
Zunächst ist es überraschend, dass Entscheidungen zu der Thematik mit Ausnahme der angeführten BGH-Entscheidung nicht zu finden sind. Lediglich in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen...