Der Bedarf an einer zeitgleichen Behandlung von Verfahren die elterliche Sorge und den Umgang sowie den Kindesunterhalt betreffend hat verschiedene Ursachen:
Das Verständnis von Elternschaft hat sich ebenso verändert wie die sozialen Parameter für Familien. Das Diktum: "Eine betreut und einer zahlt" ist der Vorstellung von Elternschaft gewichen, die gleichberechtigt und -verpflichtet in die Verantwortung nimmt. Die strikte Trennung von elterlicher Sorge, Umgang und Unterhalt stammt zudem aus einer Zeit, als nicht vorgesehen war, dass Frauen ohne Genehmigung des Ehemannes arbeiten dürfen; heute tun sie das einfach, wenn sie wollen, und zwar auch dann, wenn sie Kinder haben. Auch die Vorstellung, dass Kinder Vollzeit öffentlich-rechtlich betreut werden können und dies im Interesse des Kindes sein kann, war dem Gesetzgeber damals fremd.
Der gesellschaftliche Wandel schlug sich auch im Recht nieder: Im Jahr 1998 wurde die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Falle der Scheidung von der Ausnahme zur rechtlichen Regel und für nicht miteinander verheiratete Eltern die gemeinsame Sorgeerklärung (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) ermöglicht. 2013 folgte in einem weiteren Schritt für diese das Antragsrecht auf Übertragung der elterlichen Sorge durch das Gericht. Zu einer im Falle der Feststellung der Vaterschaft oder Anerkennung aus Sicht des Ausschusses Familienrecht im DAV wünschenswerten Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge kraft Gesetzes hat der Gesetzgeber sich (noch) nicht durchgerungen. Zugleich rückte das Kind, auch unter dem Einfluss der Rechtsprechung des EGMR, als Subjekt des Rechts in den Vordergrund und der Personenkreis, der ein Umgangsrecht für sich in Anspruch nehmen kann, wurde erweitert. Schließlich wurde erkannt, dass erweiterte Umgangszeiten im Kontext des Unterhalts von Bedeutung sind, was zwar bislang nicht zu einer Reform des Rechts, aber zu einer Entwicklung in der Rechtsprechung geführt hat.
Diese Veränderungen bleiben in der Rechtspraxis nicht ohne Wirkung und so überrascht es nicht, dass sich in den letzten Jahren Rechtsanwender vermehrt Gedanken um die Frage machen, ob das, was zusammen gehört, nicht auch zusammen verhandelt werden sollte:
Die AG Familienrecht im Deutschen Anwaltverein hat im Jahr 2015 unter ihren Mitgliedern eine Umfrage u.a. zum Thema "Betreuungsmodelle in der Praxis" durchgeführt. Dabei gaben rund 41 % der Befragten an, dass das Wechselmodell als Betreuungsform von Mandanten oft oder häufig angestrebt werde. Knapp 70 % der Befragten hielten es für zweckmäßig, Unterhaltsfragen verfahrensrechtlich im Kontext der Betreuung mit zu regeln.
Auch bei Gerichten werden die Veränderungen mit ihren Konsequenzen wahrgenommen. Mayer, Richter am Amtsgericht, zeigt den Bedarf an Verbindung der Kinder betreffenden Verfahren in einem "Plädoyer" auf: Danach soll das Wohlergehen des Kindes als Ganzes gesehen und nicht in einen finanziellen und persönlichen Bereich aufgeteilt werden. Als Lösungsmöglichkeit stellt er die Installation eines Kinderverbundes nach dem Vorbild des Scheidungsverbundes zur Diskussion oder aber zumindest eine an § 133 Nr. 2 FamFG angelehnte Regelung, die das Gericht mit Informationen versieht, aus denen Handlungsbedarf erkannt und dem durch richterlichen Hinweis oder die Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen dem Interesse des Kindes Rechnung getragen werden kann.
Auch der Deutsche Familiengerichtstag hat das Thema im Jahr 2017 behandelt mit dem Ergebnis, dass die Thesen
Zitat
"Getrennt lebende Familien sollen in einem familiengerichtlichen Verfahren mit all ihren vielfältigen und miteinander verknüpften Bedürfnissen und Konflikten erfasst werden."
und
Zitat
"Die verfahrensmäßige Trennung zwischen Sorge- und Umgangsverfahren soll aufgehoben werden."
fast einstimmig bei wenigen Enthaltungen angenommen wurden.
Diese Beobachtungen lassen zwanglos den Schluss zu, dass die verfahrensrechtliche Trennung der Themen elterliche Sorge und Umgang, aber wohl auch Kindesunterhalt nicht mehr zeitgemäß ist.