Ambitionierte Reformen des Familienrechts im Koalitionsvertrag

Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ plant die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag  massive Reformen in mehreren Bereichen des Familienrechts. Die wichtigsten Punkte aus dem Reformvorhaben werden im folgenden zusammengefasst.

Die Ampelkoalition hat sich auf die Fahne geschrieben, das Land zu modernisieren. Die ambitionierten Pläne sind im Koalitionsvertrag zwar noch sehr unkonkret formuliert. In dem umfangreichen Abschnitt zum Familien- und Personenrecht finden sich allerdings einige interessante Vorhaben, unter anderen im Bereich des Kindschaftsrechts sowie des Abstammungs- und Adoptionsrechtes.

Reform des Sorge- und Umgangsrechts


  • Mehr Rechte für unverheiratete Väter

Die Ampelkoalition will zunächst die Rechte unverheirateter Väter stärken. Dazu soll die Regelung in § 1626a Abs. 2 BGB reformiert werden. Grundsätzlich soll es zwar dabei bleiben, dass die Mutter eines nichtehelichen Kindes das alleinige Sorgerecht hat. Der Vater soll aber künftig die Möglichkeit haben, durch einseitige Erklärung das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen, sofern er mit der Mutter einen gemeinsamen Wohnsitz hat. Die Zustimmung der Mutter ist dann nicht mehr erforderlich. Nur wenn die Mutter widerspricht, ist eine Entscheidung des Familiengerichts über die gemeinsame Sorge herbeizuführen. →

  • Kleines Sorgerecht für soziale Eltern

Des Weiteren soll laut Koalitionsvertrag ein neues Rechtsinstitut eingeführt werden, nämlich das kleine Sorgerecht für soziale Eltern. Im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern kann das Sorgerecht dann auf bis zu zwei Erwachsene übertragen werden. 

  • Förderung partnerschaftliche Betreuung

Im Falle der Trennung der Eltern wollen die Ampelparteien das Wohl der Kinder dadurch stärken, dass sie eine partnerschaftliche Betreuung fördern. Dazu soll es einerseits Änderungen im Sozial- und Steuerrecht geben, um die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen abzufedern. Aber auch im Unterhaltsrecht soll es Entlastungen für die Eltern geben unter gleichzeitiger Wahrung des Existenzminimums der Kinder, indem die Betreuungsanteile der Eltern vor und nach Trennung bzw. Scheidung mehr berücksichtigt werden.

Damit korrespondierend soll im Rahmen der Elternberatung bei Erziehungsfragen sowie in Trennungs- oder Konfliktsituationen der Fokus auf das Wechselmodell bei der Kinderbetreuung gelegt werden.

Schließlich soll ein eigenes Recht der Kinder auf Umgang mit den Großeltern und den Geschwistern gesetzlich verankert werden. → Umgangsrecht der Großeltern

Planungssicherheit für Paare mit Kinderwunsch

Während werdende Eltern schon vor der Geburt ihres Kindes Regelungen treffen können, wie die Anerkennung der Vaterschaft und das gemeinsame Sorgerecht, ist dies Paaren, die lediglich einen Kinderwunsch haben, vor der Schwangerschaft noch nicht möglich. Dies soll nun geändert werden.

Um mehr Planungssicherheit für die künftigen Eltern zu schaffen, sollen diese schon vor der Empfängnis Regelungen treffen können

  • zur rechtlichen Elternschaft,
  • zur elterlichen Sorge,
  • zum Umgangsrecht und
  • zum Unterhalt.

Änderungen im Abstammungs- und Adoptionsrecht


  • Geschlechtsneutrale Elternschaft

Das Abstammungsrecht soll nach den Plänen der Koalition dahingehend reformiert werden, dass die Elternschaft geschlechtsneutral wird. Wird also ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Frauen geboren, dann sind beide die rechtlichen Mütter des Kindes, sofern sie nicht explizit etwas anderes vereinbaren. Ebenso ist bei unverheirateten Paaren die Anerkennung der Elternschaft unabhängig vom Geschlecht möglich. →Reform zur Stiefkinderadoption

  • Klärungsanspruch für Kinder

Die Rechte der Kinder werden dadurch gestärkt, dass ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren bezüglich der Abstammung eingeführt wird. Ein Kind soll seine Abstammung künftig gerichtlich klären lassen können, ohne gleichzeitig den Status seiner rechtlichen Eltern im Wege der Anfechtung angreifen zu müssen.

  • Eheunabhängige Adoption minderjähriger Kinder

Bei der Adoption minderjähriger Kinder soll es nach den Vorstellungen der Koalitionsparteien künftig nicht mehr entscheidend darauf ankommen, ob die Adoptiveltern miteinander verheiratet sind. Die Ehe soll hier kein ausschlaggebendes Kriterium mehr sein. Auch unverheirateten Paaren soll die Möglichkeit offenstehen, ein minderjähriges Kind zu adoptieren.

Die „Verantwortungsgemeinschaft“ als neues Rechtsinstitut

Neben der klassischen Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft soll es künftig ein neues Rechtsinstitut in Form der Verantwortungsgemeinschaft geben. Unabhängig vom Geschlecht und unabhängig davon, ob überhaupt eine Liebesbeziehung besteht, können sich zwei oder mehrere volljährige Personen zusammenschließen, um rechtlich verbindlich füreinander Verantwortung zu übernehmen.

Einzelheiten zur näheren Ausgestaltung dieses neuen Rechtsinstituts finden sich im Koalitionsvertrag nicht. Auf den ersten Blick fragt sich, ob es hierfür tatsächliche Regelungsbedarf gibt und ein solcher Zusammenschluss nicht auch jetzt schon durch die gesetzlich möglichen Gesellschaftsformen abgedeckt wird.

Weitere geplante Neuerungen

Des Weiteren plant die Koalition

  • eine Liberalisierung des Namensrechtes, indem bspw. echte Doppelnamen ermöglicht werden sollen.
  • Die Hilfe für Frauen, die häusliche Gewalt erfahren, soll verbessert werden.
  • In familiengerichtlichen Verfahren will die Koalition den Schutz der Kinder stärken, indem eigenständige Rechtspositionen für die Kinder geschaffen werden. Zudem soll das in der letzten Regierung gescheiterte Vorhaben umgesetzt werden, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
  • Durch verschiedene Maßnahmen im Zuge eines nationalen Aktionsplans soll zudem die Akzeptanz und der Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gefördert werden.
  • Für geschlechtsangleichende Behandlungen sollen die Kosten künftig komplett von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden und die künstliche Befruchtung soll unabhängig von der medizinischen Indikation, dem Familienstand und der sexuellen Identität förderfähig sein.
  • Schließlich sollen durch eine speziell hierfür eingesetzte Kommission die Möglichkeiten geprüft werden, die Eizellenspende und Leihmutterschaft zu legalisieren.

Das Reformvorhaben der Ampelkoalition ist ambitioniert. Es bleibt abzuwarten, ob alle Vorhaben in der Legislaturperiode tatsächlich umgesetzt werden können. Mit Kritik aus der Opposition ist zu rechnen.




Hintergründe zum Reformbedarf

Großeltern steht grundsätzlich ein Umgangsrecht mit ihren Enkeln zu. Die gerichtliche Durchsetzung scheitert in der Praxis häufig an Zerwürfnissen zwischen Großeltern und Eltern und damit am Wohl des Kindes. Auch enge Bezugspersonen können ein Recht nach § 1685 Abs. 1 BGB haben.

Der leibliche Vater eines Kindes ist nicht automatisch auch der rechtliche Vater. Ist die Mutter im Zeitpunkt der Geburt verheiratet, dann gilt ihr Ehemann gemäß § 1592 Nr. 1 BGB als der Vater des Kindes, selbst wenn das Kind von einem anderen Mann gezeugt wurde. Wird das Kind dann von der Mutter gemeinsam mit ihrem Ehemann großgezogen, dann ist es für den leiblichen Vater oftmals schwer, eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. Er ist aber nicht rechtlos gestellt.

Seit Jahren bereitet eine Arbeitsgruppe eine Familienrechtsreform vor, um veränderte Lebenswirklichkeiten besser abzubilden. Die Bundesfamilienministerin will auf den nun vorliegenden Thesen aufbauend einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen. Neben einer Grundsatzreform soll eine Teilreform vorab dringende Themen regeln. Darin will die Ministerin aber - vom Vorschlag abweichend - die nicht verheirateten Väter wenig stärken.


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