Umgangsrecht der Großeltern - Rechtsgrundsätze und Durchsetzung

Großeltern steht grundsätzlich ein Umgangsrecht mit ihren Enkeln zu. Die gerichtliche Durchsetzung scheitert in der Praxis häufig an Zerwürfnissen zwischen Großeltern und Eltern und damit am Wohl des Kindes. Auch enge Bezugspersonen können ein Recht nach § 1685 Abs. 1 BGB haben.

Seit der Reform des Kindschaftsrechts im Jahr 1998 sieht das Gesetz ein Umgangsrecht der Großeltern mit ihren Enkeln vor. Dieses steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass seine Ausübung dem Wohl des Kindes dient. Dieser (berechtigte) Vorbehalt erweist sich in der Praxis häufig als schwer zu überwindender Knackpunkt.

Guter Kontakt zwischen Großeltern und Enkeln dient i.d.R. dem Kindeswohl

Die gesetzliche Regelung des § 1685 Abs. 1 BGB gewährt den Großeltern ein Umgangsrecht mit ihren Enkeln, wenn dieses dem Wohl der Enkel dient. Hintergrund der Regelung ist der Grundgedanke, dass ein gutes Verhältnis zwischen Enkeln und Großeltern in der Regel förderlich für eine gesunde Entwicklung und Erziehung eines Kindes ist.

Gerichtliche Entscheidung zu Konfliktfällen beim großelterlichen Umgang

In der Praxis wirft der Umgang zwischen Großeltern und Enkeln bei einem gesunden Verhältnis zwischen Eltern und den Großeltern des Kindes in der Regel keine besonderen rechtlichen Probleme auf und muss daher auch nicht gerichtlich entschieden werden. Rechtliche Probleme entstehen häufig erst dann, wenn das persönliche Verhältnis zwischen Eltern und Großeltern eines Kindes beschädigt ist und die Eltern oder ein Elternteil den Großeltern das Umgangsrecht mit dem Kind deshalb verwehren.

Kindeswohl ist beim Umgangsrecht die entscheidende Orientierungsgröße

In Konfliktfällen schafft die gesetzliche Regelung des § 1685 BGB einen rechtlichen Rahmen für eine angemessene Entscheidung über den Umgang zwischen Großeltern und Enkeln. Wie auch sonst im Kindschaftsrecht ist das Kindeswohl hierbei das maßgebliche Kriterium, an der Entscheidungen zu orientieren sind.

Umgangsrecht bei bereits entstandener starker Bindung

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein Umgangsrecht dann dem Wohl des Kindes dient, wenn

  • die Großeltern bereits eine enge soziale Bindung zu dem Kind aufgebaut haben, § 1626 Abs. 3 Satz 2 BGB,
  • sie bereits in gefestigter Weise zum sozialen Umfeld des Kindes gehören oder gehört haben und
  • die bestehende Bindung des Kindes zu den Großeltern sich als vorteilhaft für die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes erwiesen hat und
  • das Kind die Bindung auch aus eigenem Willen möchte.

Kein Umgangsrecht gegen den Willen des Kindes

Hat das Kind das 14. Lebensjahr vollendet, so ist es vor einer gerichtlichen Entscheidung in jedem Fall gemäß § 159 Abs. 1 FamFG persönlich anzuhören. Auch vor Erreichen dieser Altersgrenze ist es gemäß § 159 Abs. 2 FamFG anzuhören, wenn der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung ist. Dies dürfte in der Regel bei Kindern der Fall sein, sobald sie die persönliche Einsichtsfähigkeit in den Sinn und die Tragweite einer Umgangsentscheidung besitzen Die Einräumung eines Umgangsrechts der Großeltern gegen den Willen des Kindes wird in der Regel aber auch bei jüngeren Kindern nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen.

Umgangsrecht der Großeltern besteht auch nach EU-Recht

Dies sieht auch der EuGH so. Der EuGH stellte klar, dass der Begriff des Umgangsrechts der Brüssel IIa-Verordnung (regelt unter anderem die gerichtliche Zuständigkeit in Ehe- und Sorgerechtssachen) nicht nur den grenzüberschreitenden Umgang von Eltern mit ihren Kindern regelt, sondern der Begriff des Umgangsrechts auch das Umgangsrecht anderer Personen erfasst, die für das Kind aufgrund ihrer Nähe und/oder familiären Beziehung wichtig sind. Dazu gehören laut EuGH auch die Großeltern. Zur Entscheidung über das Umgangsrecht ist nach dem Beschluss des EuGH grundsätzlich das Gericht am persönlichen Aufenthaltsort des Kindes zuständig (EuGH, Urteil v. 4.5.2018, C – 335/17).

Kein Umgangsrecht bei drohendem Loyalitätskonflikt

Bestehen zwischen Großeltern und Eltern des Kindes erhebliche Differenzen - und nur dann kommt es in der Regel zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über das Umgangsrecht - so kann nach deutscher Rechtsprechung schon das damit zusammenhängende Konfliktpotenzial einem Umgangsrecht der Großeltern entgegenstehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Kind im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts durch die Großeltern droht, in einen Loyalitätskonflikt zwischen Eltern und Großeltern zu geraten.

Entscheidungskriterien in Konfliktsituationen

Bei der Entscheidung spielen in solchen Konfliktsituationen folgende Kriterien eine entscheidende Rolle:

  • Das Alter des Kindes,
  • die Entfernung zwischen Wohnort des Kindes und Wohnort der Großeltern,

Junge blickt in die Kamera, Flughafen

  • die persönliche Entwicklung und Reife des Kindes, Konflikte zwischen Eltern und Großeltern einzuordnen und mit diesen umzugehen,
  • die praktischen Möglichkeiten zur Ausübung des Umgangsrechts, ohne dass der Konflikt zwischen Eltern und Großeltern durch ständige Kontakte immer neu aufbricht,
  • die Bereitschaft und Fähigkeit der Großeltern, das Kind aus dem Konflikt mit den Eltern herauszuhalten.

Kindeswohldienlichkeit muss positiv festgestellt werden

Nach einer Entscheidung des OLG Brandenburg muss die Kindeswohldienlichkeit des Umgangs der Großeltern mit den Enkelkindern grundsätzlich von den Gerichten positiv festgestellt werden. Gemäß § 1685 Abs. 1 BGB bestehe

  • keine gesetzliche Vermutung dafür,
  • dass der Umgang der Großeltern mit ihren Enkelkindern
  • grundsätzlich dem Kindeswohl dient.

Vielmehr müsse das Gericht im jeweils konkreten Fall positiv feststellen, dass der Umgang der Großeltern mit dem Kind der gesamten Lebenssituation des Kindes, der körperlichen und seelischen Entwicklung unter Berücksichtigung der bereits entstandenen Bindungen dienlich ist.

Bestünden insoweit begründete Zweifel, so sei das Umgangsrecht abzulehnen. Hierbei könne der Abbruch der Beziehungen der Kindesmutter zu ihren Schwiegereltern infolge entstandener tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten bereits ein gewichtiges Indiz gegen ein Umgangsrecht sein (OLG Brandenburg, Beschluss v. 17.1.2018, 13 UF 152/17).

Die Eltern haben das Erziehungsvorrecht

Nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg kann eine von den Großeltern nach außen zum Ausdruck gebrachte negative Haltung zu der Erziehungsfähigkeit und zu den Erziehungsmethoden der Eltern oder eines Elternteils ein Indiz für die negativen Auswirkungen des Umgangsrechts für das Kindeswohl sein.

Äußern Großeltern ständige Kritik am Erziehungsstil der Eltern oder eines Elternteils und neigen sie dazu, das Kind in diesen Konflikt hinein zu ziehen, laufe das Kind Gefahr, bei Einräumung eines Umgangsrechts seitens der Großeltern gegen die Eltern aufgehetzt zu werden. Dies widerspreche dem Kindeswohl. Priorität hat nach der Entscheidung des OLG die gesunde Beziehung des Kindes zu seinen Eltern, denen das gemäß Art. 6 GG verfassungsrechtlich garantierte Elternvorrecht der Entscheidung über die Erziehung ihres Kindes zukomme. Die Großeltern müssen den Erziehungsstil der Eltern akzeptieren und dürfen auch bei Ausübung des Umgangsrechts nicht nach eigenem Ermessen davon abweichen (OLG Oldenburg, Beschluss v. 23.10.2017, 3 UF 120/17).

BGH versagt Umgangsrecht bei drohendem Loyalitätskonflikt des Kindes

Die Entscheidung des OLG Oldenburg entspricht der Rechtsprechung des BGH. In einem dort entschiedenen Fall hatten die Großeltern ein Umgangsrecht mit ihren acht- und sechsjährigen Enkelkindern beantragt. Die Eltern hatten sich einem solchen Umgangsrecht entgegengestellt mit der Begründung, die Großeltern würden fortwährend ihren Erziehungsstil infrage stellen. In einem Schreiben an das Jugendamt erhoben sie gegen die Eltern den Vorwurf der seelischen Misshandlung ihrer Kinder.

Hierin sah der BGH ein so schwerwiegendes Zerwürfnis zwischen Eltern und Großeltern, dass die Kinder bei Ausübung eines Umgangsrechts zwangsläufig in einen Loyalitätskonflikt geraten müssten.  Es bestehe auch die konkrete Gefahr, dass die Großeltern den Erziehungsvorrang der Eltern missachten, so dass die Ausübung des Umgangsrechts eine ungestörte Entwicklung der Kinder und damit das Kindeswohl gefährden würde (BGH, Beschluss v. 12.7.2017, XII ZB 350/16).

Umgangsrechts auch gegen den Willen der Mutter möglich

Besteht die Gefahr eines solches Loyalitätskonflikt im konkreten Fall nicht, so ist die Einräumung eines Umgangsrechts der Großeltern im Einzelfall aber auch gegen den Willen der Mutter möglich. So hat das OLG Brandenburg Großeltern ein Umgangsrecht mit ihrer Enkelin während der Herbst-Schulferien für eine volle Woche eingeräumt, da außer dem entgegenstehenden Willen der Mutter nichts gegen den Umgang der Enkelin mit ihren Großeltern, zu denen sie eine enge Bindung unterhielt, sprach (OLG Brandenburg, Beschluss v. 21.1.2014, 10 F 159/13).

Ähnliches gilt in den Fällen, in denen Kinder bereits in der Vergangenheit häufig von den Großeltern betreut wurden und hierdurch ein enges, vertrautes Verhältnis zwischen Enkeln und Großeltern entstanden ist, ohne dass die Eltern ihren einem Umgangsrecht entgegenstehenden Willen näher begründen können (OLG Hamm, Beschluss v. 23.2.2011, 8 WF 27/11; OLG Köln, Beschluss v. 2.4.2008, 14 UF 241/07).

Umgangsrecht getrenntlebender Eltern geht vor

Den Vorrang der Eltern betonte das OLG Brandenburg in einem Fall, in dem der Großvater ein Umgangsrecht mit seinem sechsjährigen Enkel beantragte, dessen Eltern getrennt leben. Das Kind lebte bei seinem Vater, hielt sich aber jedes zweite Wochenende bei seiner Mutter auf. Beide Eltern waren nicht bereit, auf eigene Umgangswochenenden zu Gunsten des Großvaters zu verzichten. Nach Auffassung des OLG störte das vom Großvater angestrebte Umgangsrecht an diversen Wochenenden die Umgangsvereinbarung der Eltern. Das Jugendamt hatte in seiner Anhörung die Wichtigkeit des geregelten regelmäßigen Umgangs des Kindes mit seinen Eltern an den vereinbarten Wochenenden bestätigt. Das OLG befürchtete daher eine dem Kindeswohl widersprechende psychische Belastung des Kindes durch ein zusätzliches Umgangsrecht mit dem Großvater (OLG Brandenburg, Beschluss v. 27.8.2018, 13 WF 151/18).

Umfang des großelterlichen Umgangsrechts

Die Dauer und Häufigkeit des Umgangsrechts ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen. Dabei sind

  • das Alter des Kindes,
  • der Grad der Bindung an die Großeltern, § 1626 Abs. 3 Satz 2 BGB,
  • die Entfernung zwischen den Wohnorten,
  • die schulische Beanspruchung des Kindes,
  • die Freizeitaktivitäten des Kindes,
  • die konkrete familiäre Situation
  • und der zum Ausdruck gebrachte Wunsch des Kindes

wichtige Entscheidungskriterien. In der Regel werden 4-5 Stunden im Monat und je nach Einzelfall zusätzlich ein Wochenendbesuch als angemessen angesehen.

Umgangsrecht kann auch für Geschwister, Ex-Partner und sonstige Bezugspersonen gelten

Das Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 1, Abs. 2 BGB steht nicht nur den Großeltern, sondern auch Geschwistern und anderen engen Bezugspersonen zu, die eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufgebaut haben (OLG Bremen, Beschluss v. 17.8. 2012, 4 UF 89/12). Enge Bezugspersonen des Kindes sind auch solche, die längere Zeit mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, § 1685 BGB (Stiefvater, Lebenspartner eines Elternteils, auch nach dem Ende dieser Beziehung). Außerdem der leibliche, aber nicht rechtliche Vater und Onkel und Tanten,  bei denen eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind besteht oder bestanden hat.

Grundsätzlich ist ausreichend, dass die Bezugsperson, die den Umgang begehrt, in der Vergangenheit tatsächlich Verantwortung übernommen hat und somit eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet hat. Davon ist z.B. auch auszugehen, wenn eine Person mit dem Kind über einen längeren Zeitraum in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Bei der Prüfung der sozial-familiären Beziehung ist auch auf das Alter des Kindes und das Zeitempfinden in der jeweiligen Altersstufe abzustellen.

Der BGH lässt ein Zusammenleben über einen Zeitraum von einem Jahr für das Kriterium der tatsächlichen Verantwortungsübernahme ausreichend. Auch zu Nachbarn, Verwandten und Freunden der Eltern kann eine sozial-familiäre Beziehung bestehen.

Ein kurzzeitiges Zusammenleben von vier Monaten kann noch keine sozial-familiäre Beziehung nach § 1985 Abs. 2 BGB begründen (OLG Bremen, Beschluss v. 5.2..2020, UF 131/19).

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Schlagworte zum Thema:  Umgangsrecht, Kindeswohl