Familienrechtsreform - unverheiratete Väter bleiben wohl überraschend erst außen vor
In vielen Konstellationen übernehmen heute erwachsene Bezugspersonen elternschaftliche Verantwortung. Das Bundesjustizministerium will zeitnah einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, um die insbesondere im Sorgerecht dringenden Themen rechtlich neu zu regeln und neuen Familienkonstellationen gerecht zu werden.
Rechtliche Familienbild den Lebenswirklichkeiten anpassen
Das Familienbild ist im Wandel. Heute versteht man unter Familie längst nicht mehr nur einen Vater, eine Mutter und deren Kind(er), sondern es gibt veränderte Lebens- und Erziehungsgemeinschaft.
Laut Beantwortung einer kleinen Anfrage der FDP durch die Bundesregierung wuchsen laut dem Mikrozensus 2018 74 % der minderjährigen Kinder bei den verheirateten Eltern auf, 16 % bei Alleinerziehenden und 10% bei Lebensgemeinschaften. Andere Konstellationen, wie Patchwork- oder sog. Regenbogenfamilien wurden in der amtlichen Statistik nicht erfasst. Jedoch sind heute Familienformen, in welchen mehr als zwei erwachsene Personen faktisch für ein Kind Verantwortung übernehmen und die persönliche Entwicklung der Kinder prägen, längst gesellschaftliche Realität. Dem soll durch eine Reform Rechnung getragen werden
Bisherige Gesetzeslage berücksichtigt nur zwei Personen als Eltern
Da das Gesetz keine rechtliche Elternschaft von mehr als zwei Personen vorsieht, sind viele Formen des familiären Zusammenlebens und deren Kinder benachteiligt. Partner einer gleichgeschlechtlichen Ehe müssen das Kind erst im Wege einer langwierigen Stiefkinderadoption annehmen, dem anderen, biologischen Partner wird dadurch sodann die Elternschaft verwehrt. Durch die gesetzliche Elternschaft von lediglich zwei Personen werde also in dieser Konstellation entweder dem biologischen Elternteil oder dem Co-Elternteil eine rechtliche Elternstellung verwehrt.
Bundesjustizministerium will Gesetzesentwurf zeitnah vorlegen
Um die rechtliche Situation an die Lebenswirklichkeiten anzupassen sind nun laut Bundesregierung mehrere Reformen geplant. Dazu sind für die Reform des Abstammungsrechts und für die Reform der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts bereits umfangreiche Vorarbeiten in Arbeitskreisen geleistet worden.
Thesen der Arbeitsgruppe zur Reform des Familienrecht: kein gesetzliches Leitbild
Die Arbeitsgruppe, zu neben Eva Becker, der Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein, verschiedenen Richter*nnen und Professor*nnen gehören, vertreten mehrheitlich folgende Reformideen.
- Die elterliche Sorge soll den rechtlichen Eltern eines Kindes von Anfang an gemeinsam zustehen.
- Die elterliche Sorge soll nicht mehr entzogen werden können. Elternkonflikte sollen durch Regelung der Ausübung der elterlichen Sorge entschieden werden. Dies gilt insbesondere auch für die Betreuung des Kindes.
- Ein Umgangsrecht soll es nur noch für Dritte geben.
- Es soll kein gesetzliches Leitbild für ein bestimmtes Betreuungsmodell eingeführt werden. Vielmehr sollen alle Betreuungsformen bis hin zum Wechselmodell im Rahmen einer am Kindeswohl orientierten Einzelfallentscheidung angeordnet werden können.
- Einer Sonderregelung für das Wechselmodell bedarf es deshalb nicht.
- Es kann, wenn es dem Kindeswohl am besten entspricht, wie jede andere Betreuungsform folglich auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden.
- Der Kindeswillen soll künftig stärker berücksichtigt werden.
- Die elterliche Verantwortung soll gestärkt und einvernehmliche Lösungen erleichtert werden.
Geplant sind eine umfassende und ein vorrangige Teilreform im Familienrecht
Gearbeitet wird laut Familienministerium an einem Gesamtkonzept, wobei dessen Umsetzung die Neustrukturierung wesentlicher Teile der familienrechtlichen Vorschriften erfordere. Diese sei jedoch sehr aufwändig und daher nicht kurzfristig zu realisieren.
Es wird daher parallel eine Teilreform erarbeitet, dessen Gesetzentwurf Elemente des Sorge- und Umgangsrechts, des Abstammungsrechts und des Unterhaltsrechts beinhalten soll. Diese Pläne sollen - ohne genaueren Zeitplan - zeitnah vorgelegt werden.
Geht der Vater, abweichend von den Vorschlägen der Arbeitsgruppe, am Start unter?
Die Familienministerin folgt dabei wohl nicht dem Rat der Arbeitsgruppe, wonach die elterliche Sorge den Eltern eines Kindes von der Geburt an gesetzlich gemeinsam zustehen soll. Dazu wären - so der Plan - unverheiratete Väter, deren Vaterschaft rechtlich anerkannt ist, wie die Mutter automatisch sorgeberechtigt.
Zur Zeit bedarf es hierfür der Zustimmung der Mutter. Sonst muss der Vater vor dem Familiengericht einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen, den das Gericht mit Blick auf das Kindeswohl entscheidet.
Daran soll die Reform überraschend im Prinzip nichts ändern: "Die gemeinsame elterliche Sorge soll eintreten, wenn eine Person die Vaterschaft oder Mutterschaft anerkennt und die Geburtsmutter zustimmt, " bestätigte ein BMJV-Sprecher der LTO.
Vater nicht sofort mit im Boot: Entgegenkommen an Frauenverbände?
Das scheint zumindest für nicht verheiratete Väter enttäuschend und geht wohl darauf zurück, das Frauenrechtsorganisationen einem väterlichen Sorgerechts-Automatismus bei Nichtverheirateten kritisch gegenüber stehen. Auch der Deutsche Juristinnenbund hatte erklärt, dass die Mutter oft einen guten Grund hätten, den Vater nicht immer mit im Boot haben zu wollen.
Das mag nicht falsch sein, bevorzugt aber weibliche Elternteile vor männlichen.
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