Die Kinderkommission musste zur Kenntnis nehmen, dass die angehörten Experten Mängel bei der Qualifikation, dem Aufgabenverständnis und den Verfahrensabläufen benannten. Auch wurden strukturelle Defizite festgestellt.
1. 1 Gruppe der Richter und Richterinnen
Anforderungen
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Die Amtsermittlung des Kindeswohls ist für den einzelnen Fall oft sehr aufwändig. |
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Die Anhörungen von Kindern, insbesondere von kleinen Kindern, setzen Fachkunde und Einfühlungsvermögen voraus. Auch sollten geeignete Räumlichkeiten genutzt werden. |
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Neben fundierten Kenntnissen des Kinder- und Jugendhilferechts und weiterer sozialrechtlicher Unterstützungsmöglichkeiten muss das Gericht die Angebote der regionalen Jugendhilfe kennen und in ihrer Passgenauigkeit im Einzelfall bewerten können (L. Salgo). |
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Das Gericht muss für seine eigene Beantwortung der rechtlichen Fragestellung die hierfür relevanten psychologischen Fragestellungen und den oder die passenden Sachverständige(n) auswählen. |
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Die Experten berichteten auch von Nichteinhaltung der Verfahrensregeln. So wurden Kinder nicht angehört oder Gutachter bzw. Verfahrensbeistände nicht bestellt. Auch die Art und Weise der Bestellung durch das Gericht wurde kritisiert, da sie keine uneingeschränkte Unabhängigkeit der bestellten Gutachter und Verfahrensbeistände garantiert. |
Ausbildung und Eingangsvoraussetzungen
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Familienrecht wird in der Ausbildung der Juristen nicht oder nur in geringem Maße vermittelt, und zwar weder im Studium noch im Referendariat (L. Salgo). |
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Die formalen Anforderungen wurden im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung reduziert, sodass anstelle von drei Jahren nunmehr ein einziges Jahr Berufserfahrung für eine Bestellung zum Familienrichter ausreicht. |
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Weitere formale Voraussetzungen für die Eingangsbestellung, wie sie etwa für das Insolvenzrecht gelten, bestehen nicht. |
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Die Zahl der offenen Stellen überschreitet die Nachfrage (J. Lüblinghoff). |
1. 2 Gruppe der psychologischen Sachverständigen bzw. Gutachter und Gutachterinnen
Anforderungen
Gutachten können eine hohe Bedeutung für die richterliche Entscheidung erlangen, deshalb sind sowohl die passende richterliche Fragestellung für das Gutachten als auch seine Qualität zentral; dies erfordert eine bestmögliche Qualifikation der Gutachter und ein bestmögliches Handwerkszeug.
Ausbildung
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Es gibt zu wenige qualifizierte Gutachter (A. Kannegießer). |
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An den 50 universitären Psychologischen Instituten in Deutschland gibt es keine Professur für Rechtspsychologie. Daher fehlt es auch an Forschung etwa zur Wirkung von Gutachten. |
Verfahren
Der Richter oder die Richterin bestellt den/die Sachverständigen nach eigenem Ermessen. Seit der Reform des Sachverständigenrechts müssen Beteiligte dazu angehört werden. Eine Beschwerde gegen einen Gutachter oder eine Gutachterin ist aber erst nach Abschluss des Verfahrens möglich.
Einige Experten nannten außerdem Mängel in der Abfassung von Gutachten, so werde beispielsweise nicht immer die Tatsachenbeschreibung von ihrer Interpretation getrennt.
1. 3 Gruppe der Verfahrensbeistände
Die Einführung der Verfahrensbeistände als "Anwälte des Kindes" wurde allgemein begrüßt. Dennoch wurden Verbesserungspotentiale genannt:
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Die gesetzliche Anforderung sei lediglich "geeignete Person". Dies sei aber zu unspezifisch. |
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Verfahrensbeistände benötigten Kenntnisse in Entwicklungspsychologie und Pädagogik sowie in der Kommunikation mit Kindern und ihren Eltern, ebenso benötigten sie profunde Kenntnisse des Familienrechts und seiner verfassungsrechtlichen Voraussetzungen sowie des Kinder- und Jugendhilferechts. |
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So wurde beispielsweise bemängelt, dass Verfahrensbeistände ihre Aufgaben diffus wahrnähmen, ihre Rolle nicht klar von anderen professionellen Akteuren abgrenzten, z.B. zur psychologischen Begutachtung, und nicht immer zwischen Kindeswillen und Kindeswohl unterscheiden könnten (C. Wilcke). |
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Verfahrensbeistände müssten gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten strikte Neutralität wahren und ihre Aufgabe, Beistand des Kindes zu sein, von einer Mediatoren- oder Beratungsfunktion trennen, die sie nicht haben (L. Salgo). |