BGB § 1671 § 1696 Abs. 1 § 1697a
Leitsatz
Die Abänderung einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil ist trotz eines auf den Wechsel in den Haushalt des anderen Elternteils gerichteten Kindeswillens nicht gerechtfertigt, wenn der Kindeswille nicht autonom gebildet ist und sonstige Belange des Kindeswohls entgegenstehen.
BGH, Beschl. v. 27.11.2019 – XII ZB 511/18 (OLG Frankfurt, AG Bad Schwalbach)
Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die beteiligten Eltern streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre drei gemeinsamen Kinder.
[2] Die Eltern schlossen im Januar 2005 die Ehe. Aus der Ehe stammen der 2008 geborene Sohn K-D. sowie die 2009 geborenen Zwillinge M.D. und L-M. Der 1960 geborene Kindesvater ist Bürokaufmann. Er hat aus einer früheren Beziehung ein weiteres, bereits erwachsenes Kind. Die 1987 geborene Kindesmutter stammt aus der Dominikanischen Republik und hat inzwischen eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert.
[3] Die Eltern trennten sich 2013. Durch Beschl. v. 7.4.2014 übertrug das Amtsgericht der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder. Diese zog sodann mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus in eine Wohnung in einem nahe gelegenen Ort.
[4] Im vorliegenden Verfahren hat der Kindesvater – unter Abänderung der getroffenen Regelung – die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt, hilfsweise eine Umgangsregelung im Sinn eines Wechselmodells. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Antrag zum Sorgerecht zurückgewiesen. Wegen des Hilfsantrags hat es ein gesondertes Umgangsverfahren eingeleitet, das vor dem Senat unter dem Aktenzeichen XII ZB 512/18 anhängig ist.
[5] Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher er seinen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die drei Kinder weiterverfolgt.
II. [6] Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
[7] 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen keine triftigen, das Wohl der Kinder nachhaltig berührenden Gründe nach § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB für eine Abänderung der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter vor. § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB entfalte eine Stabilisierungsfunktion für gerichtlich angeordnete Sorge- und Umgangsverhältnisse. Die Vorschrift diene dem Schutz des Kindes oder der Sorgeberechtigten vor Verunsicherung und Infragestellung dieser Ordnung. Gegen eine Änderung sprächen regelmäßig das Kontinuitätsbedürfnis sowie sein Interesse an einer Stabilität der Lebensverhältnisse. Das Tatbestandsmerkmal der triftigen Gründe nach § 1696 Abs. 1 BGB beinhalte auch das Erfordernis, dass neue Tatsachen zu einer veränderten Beurteilung Anlass gäben. Insofern genüge eine abweichende Beurteilung bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht.
[8] Auch ein bereits geäußerter, jedoch nachdrücklich wiederholter Änderungswunsch eines Kindes könne einen im Rahmen dieser Abwägung zu beachtenden neuen Umstand darstellen. Maßgebliches Entscheidungskriterium sei jedoch das Kindeswohl mit der in § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB genannten Schwelle. Soweit sich der zu beachtende Wille des Kindes auf eine Veränderung der Verhältnisse richte, sei eine Änderung somit nur zulässig und gerechtfertigt, wenn die Änderungsinteressen des Kindes im Einzelfall die anderen zu berücksichtigenden Gründe für eine kindeswohlorientierte Entscheidung deutlich überwiegen. Der Kindeswille stelle also wie auch im Rahmen der Abwägung nach § 1671 BGB nur einen von mehreren Gesichtspunkten für den übergeordneten Entscheidungsmaßstab des Kindeswohls dar.
[9] Da familiengerichtliche Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf das Leben eines Kindes nähmen und es damit unmittelbar betroffen sei, sei das Kind bei jeder Entscheidung in seiner Individualität und mit seinem Willen einzubeziehen, was mit zunehmendem Alter und zunehmender Einsichtsfähigkeit des Kindes an Bedeutung gewinne. Denn nur so könne es sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person entwickeln, wobei der Kindeswille die Bindung zu einem Elternteil zum Ausdruck bringe und darüber hinaus einen Akt der Selbstbestimmung darstelle. Insoweit seien an den Kindeswillen Mindestanforderungen wie Zielorientierung, Intensität, Stabilität und Autonomie zu stellen. Der Kindeswille könne schon allein deswegen zu beachten sein, weil er sich jedenfalls als eine zu respektierende psychische Lebenswirklichkeit des Kindes darstelle.
[10] Es komme im vorliegenden Fall entscheidend darauf an, ob hier ein zu beachtender Wille der drei Kinder, gerichtet auf eine Änderung der gegenwärtigen Verhältnisse, gegeben sei, der die übrigen, im Rahmen der Entscheidung des Amtsgerichts vom 7.4.2014 berücksichtigten Kindeswohlerwägungen derart überwiege, dass eine Änderung dieser Entscheidung angezeigt wäre. Das sei jedoch nicht der Fall.
[11] Zwar sei dem Kindesvater insoweit Recht zu geben, als vorliegend der Wille aller drei Kinder da...