Die Ausgangslage ist schon angesprochen worden: Der Zugewinnausgleich des BGB ist ein Modell, das sich bewährt hat und nicht von Grund auf reformiert oder gar abgeschafft werden muss. Aber er ist verbesserungsfähig. Gefragt ist vor allem eine Öffnung dort, wo seine streng schematischen Regeln – die im Grundsatz durchaus ihre Berechtigung haben – der Verwirklichung von mehr Einzelfallgerechtigkeit unnötig im Wege stehen. Soweit es die Regelung des § 1383 BGB betrifft, kann die Rechtsprechung einen nicht unwesentlichen Beitrag leisten, indem sie sich von der praktizierten restriktiven Auslegung des Begriffs der groben Unbilligkeit löst und dadurch mehr Spielraum für gerechte und sinnvolle Ergebnisse schafft. Aber auch, und gerade auch der Gesetzgeber ist gefordert. Was kann er tun?
1. Die oben angesprochenen Beispiele mögen gezeigt haben, dass das 1958 ins Gesetz aufgenommene Erfordernis einer groben Unbilligkeit auf Seiten des Augleichsgläubigers sich nicht bewährt hat. Der Rechtsprechung – die nur auf Antrag eine Entscheidung gemäß § 1383 BGB treffen kann; deshalb ist in der Praxis auch immer zuerst die Anwaltschaft gefragt – der Rechtsprechung also ist durch die Aufnahme dieses Begriffs die Möglichkeit zu einer extrem strengen Interpretation gegeben worden, die manche Fallgestaltung von der Anwendung der Vorschrift ausschließt, in der dies unbefriedigend ist. Das Wort "grob" im Gesetzestext sollte daher gestrichen werden.
2. Nicht befriedigend ist es, dass nach der bisherigen Regelung der Ausgleichsgläubiger, der eigentlich dringend der Übertragung eines im Vermögen des Ausgleichsschuldners befindlichen Gegenstandes bedarf, dessen Überlassung in dem Moment nicht mehr fordern kann, in dem der Wert des Herausverlangten die Höhe seiner Zugewinnausgleichsforderung übersteigt. Sinnvoll wäre es, wenn er in einem solchen Fall die Übertragung gegen Erstattung des Differenzbetrages erreichen könnte. Der Ausgleichsschuldner erleidet dadurch keinen Nachteil, denn er erhält den vollen Wertausgleich für den herauszugebenden Gegenstand.
Dass eine solche Korrektur des Gesetzes wünschenswert wäre, zeigt sich auch an Folgendem: Nach der geltenden Regelung muss für ein erfolgversprechendes Übertragungsverlangen der mögliche Ausgleichsschuldner neben dem vom anderen herausverlangten Gegenstand weiteres Vermögen erworben haben. Anderenfalls übersteigt nämlich der Wert des Herausverlangten die Zugewinnausgleichsforderung.
Im obigen Beispiel 1 hatte die Ehefrau F ihrem Ehemann M den hälftigen Miteigentumsanteil an der zuvor ihr allein gehörenden Immobilie übertragen. Der Miteigentumsanteil hat jetzt einen Wert von 250.000 EUR. Eine Übertragung nach § 1383 BGB auf sich kann F nur verlangen, wenn ihre Zugewinnausgleichsforderung mindestens 250.000 EUR beträgt. Zu einer Forderung in dieser Höhe kommt es aber nur dann, wenn M während der Ehe neben dem Miteigentumsanteil an der Immobilie weiteres Vermögen erworben hat. Beschränkt sich sein Zugewinn auf die Miteigentumshälfte, hat F nur einen Zugewinnausgleichsanspruch von 125.000 EUR.
Das Beispiel zeigt, dass die bisherige Anrechnungsregelung unnötigerweise viele, vielleicht die meisten in Frage kommenden Anwendungsfälle von der Korrekturmöglichkeit des § 1383 BGB ausschließt.
Sinnvoll wäre es darüber hinaus, die Möglichkeit zu schaffen, dass ein Vermögensgegenstand von der Berechnung des Endvermögens ausgenommen und real geteilt wird, z.B. eine Kapitallebensversicherung oder auch Aktien. Die oben angesprochene Anrechnungsproblematik würde sich damit erledigen. Zugleich würde Ungerechtigkeiten entgegengewirkt, die sich aus der oft zufallsabhängigen Bewertung zum Stichtag für die Berechnung des Endvermögens ergeben können.
3. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es auch den Zugewinnausgleichsschuldner erheblich belasten kann, den Gläubiger gerade in Geld auszahlen zu müssen, insbesondere wenn er sich in Liquiditätsschwierigkeiten befindet. Doch nach der geltenden Regelung ist er nicht befugt, die Ausgleichsschuld ggf. statt in Geld ganz oder teilweise in Sachwerten abzugelten. Er kann dies nur im Vereinbarungswege erreichen. Wäre es nicht sachgerecht, dem Schuldner auch ohne entsprechende Vereinbarung die Möglichkeit einzuräumen, die eigentlich geschuldete Geldleistung durch die Übertragung von Sachwerten abzugelten, sofern eine Geld- statt der Sachleistung ihn unbillig belasten würde und die Sachleistung dem Gläubiger zumutbar ist?
Der Gesetzgeber meinte, den Schutz des Ausgleichsschuldners auf die Regelungen des § 1381 BGB (Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit) und § 1382 BGB (Stundung) beschränken zu sollen. Und in der Tat wird insbesondere durch die Möglichkeit, auf Antrag eine Stundung der Geldforderung zu erreichen, den Interessen des Schuldners wohl ausreichend Rechnung getragen.
Beispiel 6:
Ehemann M hätte seiner Ehefrau F im Zugewinnausgleich 200.000 EUR zu zahlen. Er verfügt über keine liquiden Mittel, ist aber...