Seit 1.1.2023 besteht ein Notvertretungsrecht für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner (§ 21 LPartG) in Angelegenheiten der Gesundheitssorge. Kein entsprechendes Recht besteht für andere nahestehende Angehörige, insbesondere für Kinder hinsichtlich ihrer alten Eltern und Eltern für ihre volljährigen behinderten Kinder. Das neue Rechtsinstitut hat Vorrang vor einer Betreuung, jedoch nur im Umfang der gesetzliche Vertretungsmacht. Nur insoweit besteht auch eine Entbindung der behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht; diese Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gilt somit nicht, wenn der kranke Ehegatte aus der Bewusstlosigkeit wieder erwacht und selbst handeln kann oder ein Bereich betroffen ist, der von der Vertretungsmacht nicht umfasst ist. Der vertretende Ehegatte (Legaldefinition) darf im vorgenannten Umfang auch Einsicht in Krankenunterlagen nehmen und ihre Weitergabe an Dritte gestatten (§ 1358 Abs. 2 BGB).
Voraussetzungen dieser Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten sind
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Bewusstlosigkeit oder Krankheit des vertretenen Ehegatten (ebenfalls Legaldefinition), |
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Vorliegen von Angelegenheiten der Gesundheitssorge, wobei lediglich vier Bereiche der ärztlichen Grundversorgung betroffen sind; auch diese sind aber nicht umfassend geregelt. Es handelt sich um (§ 1358 Abs. 1 BGB)
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die Einwilligung in Untersuchungen, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe oder ihre Untersagung sowie die Entgegennahme der diesbezüglichen ärztlichen Aufklärungen (Nr. 1), |
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der Abschluss und die Durchsetzung von einschlägigen Verträgen (Behandlungsverträge, Krankenhausverträge und Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und Pflege, Nr. 2), |
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die Entscheidungen über freiheitsentziehende Maßnahmen (§ 1831 Abs. 4 BGB) auf die Dauer von bis zu max. 6 Wochen im Einzelfall (Nr. 3) und |
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die Geltendmachung von Ansprüchen aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten sowie ihre Abtretung an Leistungserbringer (Nr. 4). |
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Die Aufzählung zeigt, dass insbesondere die Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, eine längere freiheitsentziehende Unterbringung und eine Zwangsbehandlung nicht umfasst sind, wohl aber Schönheitsoperationen mangels einer ausdrücklichen Beschränkung auf unaufschiebbare Maßnahmen. |
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Beschränkung der Geltungsdauer auf einen Zeitraum von sechs Monaten, beginnend ab der erstmaligen ärztlichen Feststellung. |
Das gesetzliche Vertretungsrecht des Ehegatten ist ausgeschlossen bei
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einem Getrenntleben (§§ 1358 Abs. 3 Nr. 1, 1567 BGB, § 15 Abs. 5 LPartG), wobei hier die gesamten für Familienrechtler (nicht aber für Ärzte) bekannten Probleme des Getrenntlebens eine Rolle spielen, |
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einer Ablehnung durch den betroffenen Ehegatten bzw. Lebenspartner (§ 1358 Abs. 3 Nr. 2a BGB), |
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einer Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht zugunsten anderer Person im Umfang der Angelegenheiten der Gesundheitssorge (§ 1358 Abs. 3 Nr. 3 BGB), wobei unklar ist, was gilt, wenn diese privatautonome Regelung nur Teilbereiche umfasst. Es sind zwei Alternativen: Das Hinzutreten der Ehegattenvertretungsmacht neben Betreuung oder Vorsorgevollmacht, was insbesondere bei der Betreuung oder Bevollmächtigung durch eine dritte Person zu Problemen führen wird, oder die wohl zutreffende Annahme, dass der betroffene Ehegatte (auch) für die nicht geregelten Teilbereiche eine Betreuung durch die dritte Person gewünscht hat und keine Vertretung durch seinen Ehegatten. Der Konflikt ist nicht nur theoretisch, da mitunter verheiratete Personen (gegenständlich beschränkte) Vorsorgevollmachten zugunsten eines Kindes und nicht zugunsten des Ehegatten erteilen. |
Die Ehegattenvertretung erlischt bei Anordnung der Betreuung mit dem entsprechenden Aufgabenbereich. Sie erlischt ferner beim Ende der Bewusstlosigkeit bzw. Krankheit des vertretenen Ehegatten, spätestens sechs Monate nach erstmaliger schriftlicher Bescheinigung durch den Arzt. Allerdings kann sie bei einer neuen Erkrankung wiederum angewandt werden, wobei die Abgrenzung zu einem einheitlichen Krankheitsverlauf unklar bleibt.
Die Nachweisproblematik wurde ohne gesetzliches Vorbild geregelt: Während bei der Schlüsselgewalt des § 1357 BGB die Wirkungen der Vertretungsmacht unabhängig von der Kenntnis des Vertragspartners eintreten und ein Ausschluss gegenüber Dritten nach bisher geltender Rechtslage nur bei Eintragung im Güterrechtsregister oder Kenntnis des Vertragspartners wirkte, erhält der vertretende Ehegatte zum Nachweis seines gesetzlichen (!) Vertretungsrechts in Gesundheitsangelegenheiten ein Dokument, das der Arzt ausstellt, demgegenüber die Vertretungsmacht erstmals ausgeübt wurde. Dieses Dokument enthält die Angabe des Zeitpunkts der (scheinbar) erstmaligen Ausübung der Vertretungsmacht, aber auch das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1358 Abs. 1 BGB (Krankheit oder Bewusstlosigkeit und dadurch bedingte Unfähigkeit der Besorgung der Angelegenheiten der Gesundheitssorge sowie [?] Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft) und das Nichtvorliegen ...