Einführung
In einem in FF 2022, 192-196 veröffentlichten Beitrag war kritisch über einen Beschluss des AG Schwäbisch Hall v. 30.6.2021 (2 F 318/19) berichtet worden. Es handelte sich in der Sache um eine Kostenentscheidung in einem Sorgerechtsverfahren mit Auferlegung der gesamten Verfahrenskosten auf zwei Opferschutzorganisationen, bei denen die Kindesmutter im Vorfeld und während des Verfahrens Unterstützung erhalten hatte, sowie auf die Kindsmutter selbst in Gesamtschuldnerschaft unter gleichzeitiger Festsetzung des Verfahrenswerts auf 30.000 EUR.
1 Ausgangslage
Das AG Schwäbisch Hall hatte nach Einholung mehrerer Sachverständigengutachten und Erlass der Hauptsacheentscheidung (vom 21.5.2021), in der es die elterliche Sorge für das betroffene 7-jährige Kind auf den Vater übertragen hatte, in einem gesonderten Kostenbeschluss vom 30.6.2021 der Kindesmutter und zwei sie unterstützenden Opferschutzorganisationen die gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens als Gesamtschuldner auferlegt. Zur Begründung der Kostentragungspflicht der Opferschutzorganisationen gemäß § 81 Abs. 4 FamFG hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt, dass diese durch ihre Mitglieder aktiv versucht hätten, auf den Wahrheitsfindungsprozess des Gerichts bzw. die Sorgerechtsentscheidung Einfluss zu nehmen. Die beiden Opferschutzorganisationen hätten weder die Angaben der Kindesmutter noch deren Motivlage hinterfragt. Wenn Opferschutzorganisationen einem in Wirklichkeit nicht besorgten, sondern entfremdenden Elternteil einen "Machtapparat" zur Seite stellen würden, um den Ausgang eines familiengerichtlichen Verfahrens losgelöst von der Fakten- und Beweislage zu beeinflussen bzw. um eine Eltern-Kind-Entfremdung zu forcieren, entspreche dies nicht mehr rechtsstaatlichen Ansprüchen. Über deren Satzungszwecke hinaus sei das Agieren der beiden "Opferschutzorganisationen" mitursächlich für den enormen Ermittlungsaufwand des Gerichts, einschließlich der umfangreichen Beweisaufnahme, gewesen.
Gegen diese Auferlegung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben beide Opferschutzorganisationen Beschwerde eingelegt und u.a. geltend gemacht, ein Fall des § 81 Abs. 4 FamFG liege nicht vor. Insbesondere seien sie als Opferschutzorganisationen nicht zur Neutralität verpflichtet, sondern sie würden ihre Aufgabe zum Wohl des betroffenen Kindes wahrnehmen.
2 Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Stuttgart hat mit Beschl. v. 8.8.2023 – 15 WF 132/21 die zulässigen Beschwerden der beiden Opferschutzorganisationen für begründet erachtet und die amtsgerichtliche Kostenentscheidung abgeändert. Es hat angeordnet, dass für das erstinstanzliche Verfahren von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen wird und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden. Eine entsprechende Kostenentscheidung ist vom OLG für das Beschwerdeverfahren getroffen worden.
Abgesehen davon, dass das Amtsgericht unter Verstoß gegen § 82 FamFG die angegriffene Kostenentscheidung in einem gesonderten Beschluss getroffen hat, komme im vorliegenden Fall eine Kostentragungspflicht der beiden Opferschutzorganisationen nach § 81 Abs. 4 FamFG in der Sache nicht in Betracht. Zur Begründung hat es dazu ausgeführt:
Nach § 81 Abs. 4 FamFG können einem Dritten die Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft. Eine Tätigkeit des Gerichts muss von einer nicht am Verfahren beteiligten Person verursacht worden sein. Sie muss nicht den Anstoß zum Verfahren gegeben haben; es genügt, dass sie ein Teilstück (z.B. eine Beweisaufnahme oder eine Begutachtung) veranlasst hat. Es reicht daher aus, dass der Dritte durch falsche Angaben einen Teil des gerichtlichen Verfahrens beeinflusst. In Verfahren, die von Amts wegen einzuleiten sind, genügt es, dass der Dritte die Anregung zum Einschreiten des Gerichts gegeben hat. Zwischen seinem Verhalten und dem Tätigwerden des Gerichts muss also ein Kausalzusammenhang bestehen. Hätte das Gericht das Verfahren jedoch auch ohne die Angaben des Dritten zum selben Zeitpunkt aufgrund anderer Erkenntnisse eingeleitet, fehlt es in wertender Betrachtung an der Veranlassung. Denn in diesem Fall wären die Kosten aufgrund des aus anderen Gründen gebotenen Einschreitens ebenfalls entstanden, sodass es an der inneren Rechtfertigung für eine Kostenüberwälzung auf den Dritten als Sanktion für sein grobes Verschulden fehlt. Dabei genügt Mitveranlassung, wenn es ohne den Tatbeitrag des Dritten nicht zum Verfahren gekommen wäre.
Außerdem ist die Kostentragungspflicht des Dritten davon abhängig, dass diesen ein grobes Verschulden am Tätigwerden des Gerichts trifft. Das grobe Verschulden muss zweifelsfrei festgestellt werden und gerade in Bezug auf das Verhalten des Dritten vorliegen, das das Gericht zur Verfahrenseinleitung veranlasst hat. Es setzt entweder Vorsatz oder ein fahrlässiges Verhalten voraus, das die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt in außergewöhnlich großem Maß außer Acht lässt und das nicht beachtet, was jedem einleuchten muss. Solc...