OLG Bremen, Beschl. v. 14.12.2023 – 5 UF 36/23
1. Dass das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr für die Bejahung des für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Zeitmoments ausreichen kann, bedeutet – insbesondere bei titulierten Kindesunterhaltsansprüchen – keinen Automatismus dahingehend, dass stets schon nach Ablauf eines Jahres das Zeitmoment erfüllt ist.
2. Wenn es um titulierte Kindesunterhaltsansprüche geht, sind an die Erfüllung des für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Umstandsmoments strenge Maßstäbe anzulegen.
3. Der Schuldner kann grundsätzlich weder davon ausgehen, dass er mit seinen Zahlungen an die Unterhaltsvorschusskasse in Höhe der dem Gläubiger erbrachten UVG-Leistungen einen darüberhinausgehenden titulierten Unterhaltsanspruch des Gläubigers erfüllt, noch davon, dass der Gläubiger schon deshalb seinen titulierten Unterhaltsanspruch bzw. die Differenz zwischen diesem und den UVG-Leistungen nicht mehr geltend machen werde, weil er insoweit über einen Zeitraum von weniger als zweieinhalb Jahren schlicht untätig geblieben ist, schon gar nicht, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber zuvor eine angespannte finanzielle Situation behauptet und in Aussicht gestellt hat, nach deren Besserung seiner Zahlungspflicht nachzukommen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 27.7.2023 – 7 UF 152/23
1. Kindesunterhalt kann bis zur höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ohne Darlegung eines entsprechenden konkreten Bedarfs verlangt werden. Vielmehr ist es Aufgabe des Unterhaltspflichtigen darzulegen und zu beweisen, dass der tatsächliche Unterhaltsbedarf geringer ist. Allein die Gefahr einer zweckentfremdeten Verwendung des Kindesunterhalts durch den betreuenden Elternteil genügt zur Annahme eines geringeren Bedarfs nicht.
2. Das Verlangen von Kindesunterhalt gemäß den besonders günstigen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen setzt nicht voraus, dass das Kind in der Vergangenheit vor der Trennung seiner Eltern bereits an diesen besonders günstigen Verhältnissen tatsächlich teilgenommen hat. Denn ein Kind leitet seinen Bedarf von den Eltern auch dann ab, wenn es mit diesen nicht zusammengelebt hat, eine vorausgegangene Gewöhnung des Kindes an einen gehobenen Lebensstandard ist also nicht erforderlich.
3. Die Erweiterung der Düsseldorfer Tabelle von zehn auf 15 Einkommensgruppen ab 1.1.2022 stellt grundsätzlich einen Abänderungsgrund nach §§ 238 f. FamFG dar. Die Abänderung kann dabei – soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen – bereits für das Jahr 2021 in entsprechender rückwirkender Erweiterung der Einkommensstufen erfolgen (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2022 – 1 UF 78/22, FamRZ 2023, 776 = BeckRS 2022, 36863).
4. Fehlender Umgang mit seinen minderjährigen Kindern berechtigt den unterhaltspflichtigen Elternteil nicht zur Reduzierung seiner Barkindesunterhaltspflicht.
OLG Koblenz, Beschl. v. 15.9.2022 – 7 UF 323/22
Ein Anspruch auf fortgesetzten Ausbildungsunterhalt besteht in der Konstellation "Lehre-Abitur-Studium" dem Grunde nach nicht nur, wenn bei Aufnahme der praktischen (Erst-)Ausbildung der Weiterbildungswunsch schon offenbar war, sondern auch dann, wenn sich im Zuge dieser (Erst-)Ausbildung herausstellt, dass zunächst eine Fehleinschätzung der Begabungen des Kindes vorlag, nämlich infolge einer "Nachreifung" des Kindes das Anstreben des Abiturs mit nachfolgendem Studium sich nunmehr durchaus als angemessene Ausbildung darstellt.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.2023 – 6 UF 121/23
1. § 7a UVG führt zu einer Rechtsverfolgungssperre. Im vereinfachten Verfahren kann sich der Antragsgegner auch noch in der Beschwerdeinstanz auf § 7a UVG berufen, weil dies keine Einwendung im Sinne des § 256 S. 2 FamFG ist.
2. § 7a UVG greift auch, wenn ein Antragsgegner nur über Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II verfügt, weil Unterhaltsverpflichtungen mangels Titulierung oder notariell beurkundeter Vereinbarung bei der Berechnung der SGB II-Leistungen nicht nach § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II berücksichtigt werden.