1. Seit der eben zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2003 sind – wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt – rechtstatsächliche Erhebungen angestellt worden, die in der jetzigen neuesten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Juli diesen Jahres teilweise wiedergegeben sind. Danach haben im Jahre 2008 gut die Hälfte aller Eltern eines nichtehelichen Kindes, genau 50,7 %, eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass knapp die Hälfte aller nichtehelichen Väter an der elterlichen Sorge für ihr Kind nicht beteiligt worden sind. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden auch Ausführungen über die Gründe und Motive dieser Entwicklung gemacht. Danach sind es zum Teil kindbezogene Gründe, die die Mutter davon abhalten, einer gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen, es sind aber durchaus auch eigene Gründe, die die Mütter anführen. So ist die Rede davon, dass die infrage kommenden Mütter im Konfliktfall allein entscheiden wollen und darüber hinaus kehrt häufig die Wendung wieder, sie wollten mit dem Mann nichts mehr zu tun haben.
Klingt das zunächst einmal sehr egoistisch, muss doch weiter gefragt werden, was dieser Haltung denn zugrunde liegt. Harmonisch miteinander lebende Eltern eines gemeinschaftlichen Kindes werden, ebenso wie miteinander verheiratete Eltern, kaum je in die Lage kommen, dass einer der Elternteile den Wunsch hat, eine Entscheidung für oder gegen das Kind allein zu treffen und ebenso wenig wird es in solchen partnerschaftlichen Situationen dazu kommen, dass etwa die Mutter des Kindes erklärt, sie wolle mit dem Vater des Kindes nichts mehr zu tun haben. Folglich muss es sich um Konfliktfälle handeln.
Und eben dies bestätigt eine von einer früheren Bundesregierung in Auftrag gegebene rechtstatsächliche Untersuchung aus den 1990er Jahren. Hiernach bestand schon bei der Geburt des nichtehelichen Kindes zwischen den Eltern in 17 % der Fälle keine Partnerschaft mehr und in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes stieg die Zahl der Trennungen auf über 50 % in der Bundesrepublik und auf 35 % in der ehemaligen DDR. Mit anderen Worten: Etwa ein halbes Jahr nach der Geburt des nichtehelichen Kindes lebten nach dieser Untersuchung nur noch in jedem zweiten Fall die Eltern zusammen. Dann aber stellt sich die Frage nach der gemeinsamen elterlichen Sorge gänzlich anders.
Nun mag sich seit Ende der 1990er Jahre die Situation durchaus geändert haben. In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 ist ausgeführt, eine im Jahr 2006 durchgeführte Umfrage des Bundesministeriums der Justiz zur gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, an der sich 440 Jugendämter und 109 Rechtsanwälte beteiligt hätten, habe das Ergebnis erbracht, dass nach Schätzung der befragten Jugendämter und Anwälte etwa 25–75 % aller Eltern nichtehelicher Kinder zusammenleben oder zumindest längere Zeit, mindestens nämlich ein Jahr, zusammengelebt hätten, ohne eine gemeinsame Sorge begründet zu haben. Weiter heißt es in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, dass seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2003 die jährlich rechtswirksam abgegebenen gemeinsamen Sorgeerklärungen statistisch erfasst seien. Danach gab es im Jahre 2004 eine Quote von 44,3 %, im Jahre 2005 eine Quote von 45,2 %, im Jahre 2006 eine Quote von 46,6 %, im Jahre 2007 eine Quote von 49,1 % und im Jahre 2008 eine Quote von 50,7 %, womit gemeint ist, welche Quote der nichtehelich geborenen Kinder aufgrund entsprechender Sorgeerklärung unter die gemeinsame Sorge beider Eltern fallen. Selbst wenn also die Zahl der Sorgeerklärungen nach dieser Statistik zugenommen hat, bleibt doch festzuhalten, dass immer noch ca. die Hälfte aller nichtehelich geborenen Kinder nicht in der gemeinsamen elterlichen Sorge ihrer beiden Eltern stehen.
2. Wie kann diese Situation verfassungskonform geändert werden?
Derzeit werden im politischen Raum vor allem zwei Regelungsmodelle diskutiert, das sog. automatische Modell und das Antragsmodell. Beim automatischen Modell sollen das Vaterschaftsanerkenntnis und die Sorgeerklärung des Vaters automatisch zur gemeinsamen Sorge für das Kind führen. Widerspricht die Mutter, so soll das gemeinsame Sorgerecht entfallen und die Mutter soll allein sorgeberechtigt werden. Nun soll der Vater das Recht erhalten, das Familiengericht anzurufen und dieses entscheidet dann darüber, ob im Interesse und zum Wohl des Kindes die Eltern gemeinsam sorgeberechtigt werden sollen oder ob die Mutter allein sorgeberechtigt bleiben soll.
Das zweite Modell, das so genannte Antragsmodell, schlägt vor, es bei der Alleinsorge der Mutter und des Kindes zu belassen. Gibt der Vater eine Sorgeerklärung ab und erkennt er das Kind an, so hat die Mutter zwei Möglichkeiten. Stimmt sie zu, kommt es – wie schon jetzt nach geltendem Recht – zur gemeinsamen elterlichen Sorge. Stimmt die Mutter nicht zu, soll der Vater das Familiengericht anrufe...