Gehen Sie noch mit einer Papierakte oder gar mit Leitzordner zu Gericht? Ziehen Sie vielleicht sogar einen Pilotenkoffer hinter sich her oder nehmen Sie schon die papierlose Akte, versteckt in einem stylishen Tablet-PC zu Gericht? Ich jedenfalls trage mich mit dem Gedanken, meine Kanzlei technisch aufzurüsten. In dem Musterbüro eines namhaften Anwaltssoftwareherstellers wurde mir klar gemacht, dass ich an einer elektronischen Akte gar nicht vorbeikäme, wenn ich mit der Zeit gehen wolle. Man müsse seine digitalen Potenziale nutzen und auf elektronische Aktenführung umstellen, denn – so wurde ich belehrt – dies sei ein unverzichtbares Element eines effizient arbeitenden, zukunftsorientierten Anwalts. Alle Dokumente würden also künftig eingescannt und bei Bedarf auf diese handlichen elektronischen Geräte (z.B. IPad oder Lenovo) heruntergeladen. So gespeichert kann die Akte nun problemlos zum Gericht mitgenommen werden. Für die elektronische Akte sprechen viele Gründe: Wird alles elektronisch gespeichert, so spart man sich erhebliche Lagerkosten, wenn man in der Kanzlei keinen Stauraum hat. Auch die mühsame "Schlepperei" schwerer Akten wird dann überflüssig. Der kleine Tablet-PC wiegt schließlich nur ca. 600 g. Darüber hinaus können auch Portokosten gespart werden, denn die eingescannte Post kann mit einem Klick sofort an die Mailadresse des Mandanten versendet werden.
Als ich nun Kollegen und Kolleginnen von meinem Vorhaben erzählte und mich erkundigte, wer schon "papierlos" arbeite, winkten alle ab. Man wandte ein, dass es doch ein ganz anderes Gefühl sei, in einer Akte zu blättern. Auch habe man die eigenen Schriftsätze und die des Gegners optisch im Kopf, so dass man wisse, ob das treffende Argument rechts unten oder links oben stünde. Im Zweifel finde man sich in der konventionellen Akte viel besser zurecht und habe man bspw. eine Anlage vergessen beizulegen, so könne man diese dann in der Verhandlung problemlos dem Gericht aushändigen. Habe man nur ein kleines IPad dabei, sehe der Mandant auch nicht einmal, wie viel Arbeit man mit ihm hatte.
Dies sind sicher stichhaltige Argumente. Der innovative Mandant wird aber möglicherweise vom technisch gut ausgestatteten Anwalt beeindruckt sein. Vielleicht folgert er daraus auch, dass der so arbeitende Anwalt wohl keine Kosten für Fort- und Weiterbildung scheut und auch rechtlich auf dem neuesten Stand sein will.
Sie dürfen nicht übersehen, was der Mandant alles registriert. So hatte ich vor einigen Jahren ein neues Fahrzeug geleast und wurde dazu überredet, die sportlichen Alufelgen gegen Aufpreis zu nehmen. Ich fand diese Geldausgabe zwar überflüssig, hörte aber auf den Rat eines Autoliebhabers. Monate später begleitete mich ein Mandant nach der Verhandlung zu meinem Auto. Wir waren gerade intensiv in das Gespräch über die vorausgegangene Sitzung vertieft, als wir mein Auto erreichten. Der Mandant meinte dann plötzlich: "Was haben Sie aber für schöne Felgen".
Ich werde es also mit der elektronischen Akte versuchen und erwarte mir damit die Arbeit zu erleichtern. Wenn ich gleichzeitig auch noch die Mandanten beeindrucken kann, dann freut es mich. Allerdings hoffe ich, dass die Mandanten keine technischen Daten erfragen, denn so tief will ich in "die Nutzung meiner digitalen Potenziale" dann doch nicht einsteigen.
Autor: Dr. Undine Krebs
Dr. Undine Krebs, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München