Der BGH hat in prozessualer Hinsicht klargestellt, dass die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung auch in anderem Zusammenhang inzident zu prüfen sein können. In dem zu entscheidenden Fall hatte die 2007 verstorbene Erblasserin ihren Sohn enterbt und ihm den Pflichtteil entzogen. Dieser hat dies akzeptiert und keinerlei Ansprüche geltend gemacht, sodass es unmittelbar nicht zu einer Überprüfung der Wirksamkeit des Pflichtteilsentzugs kam. Die Erblasserin hatte aber eines ihrer beiden Enkelkinder zum Erben eingesetzt. Das andere Enkelkind machte Pflichtteilsansprüche geltend. Der BGH entschied, dass den entfernteren Abkömmlingen dann ein Pflichtteilsanspruch zusteht, wenn sie ein originäres Erbrecht haben. Dies ist nach dem BGH nicht nur bei der Vorversterbensfiktion des § 1924 Abs. 3, des § 1953 Abs. 2, des § 2344 Abs. 2 und der §§ 2346 Abs. 1 S. 2, 2349 BGB der Fall, sondern auch bei einer Enterbung gemäß § 1938 BGB. Infolge der Enterbung des Sohnes war in der Enkelgeneration aufgrund des Eintrittsrechts des § 1924 Abs. 3 BGB ein gesetzliches Erbrecht zugunsten beider Enkel entstanden. Diese Rechtsposition war dem einen der beiden Enkel durch die Alleinerbeneinsetzung des anderen wieder entzogen worden, weshalb ihm ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 BGB zustand.
Zu entscheiden war nunmehr, ob dieser so entstandene Anspruch durch § 2309 BGB ausgeschlossen wird. Diese Norm generiert keine Pflichtteilsberechtigung, sondern beschränkt einen zunächst entstandenen Pflichtteilsanspruch. Ihre Ratio besteht darin, eine Vervielfältigung der Pflichtteilslast zu vermeiden, die ansonsten durch das Nachrücken entfernterer Abkömmlinge in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten entstehen würde, was dann der Fall wäre, wenn der Sohn der Erblasserin, seinen Pflichtteil verlangen könnte. Dies konnte und musste hier inzident geprüft werden; denn nur, wenn die Erblasserin ihrem Sohn wirksam den Pflichtteil entzogen hatte, stand dem Enkel ein Pflichtteilsrecht zu. Um nicht Gefahr zu laufen, zweimal in Anspruch genommen zu werden, muss der alleinerbende Enkel seinem Vater den Streit verkünden.
Die Wirksamkeit des Pflichtteilsentzugs wurde im vorliegenden Fall vom BGH bejaht. Dabei rekrutiert die Begründung der Entscheidung auf die klassischen Argumentationsmuster, dass nämlich die Pflichtteilsentziehung mit ihrem "außerordentlichen Gewicht" und "ihrem demütigenden Charakter" einer "Verstoßung über den Tod hinaus" nahe und daher nur bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen in Betracht komme. Es können im Rahmen von § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB aber auch Verfehlungen gegen das Eigentum oder das Vermögen des Erblassers genügen, wenn hierin eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses und damit eine besondere Kränkung des Erblassers zum Ausdruck komme. Dies sah der BGH im zu entscheidenden Fall als gegeben an. Denn die Erblasserin hatte ihrem Sohn einen Betrag von 72.000 DM überlassen, um Arbeiten an ihrem Haus vornehmen zu lassen, was der Sohn auch zunächst versprochen, dann aber verweigert und das Geld sowie einen ihm in Verwahrung gegebenen Goldbarren im Wert von 20.000 DM zu Unrecht einbehalten und den Kontakt zur Erblasserin abgebrochen hatte. Dies alles hatte die Erblasserin auch gemäß § 2336 Abs. 2 BGB in ihrem Testament genau aufgeführt.