Die Quadratur des Kreises?
Argiris Balomatis
Am 27.1.2021 trat die zunächst bis 15.3.2021 geltende Corona-Arbeitsschutzverordnung in Kraft, die erstmals eine Pflicht zum Angebot eines Homeoffice-Arbeitsplatzes festschreibt.
Die meisten von uns werden während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 als reine Vorsichtsmaßnahme das Arbeiten von zu Hause aus für Mitarbeiter und Berufsträger irgendwie improvisiert haben: Eilig angeschaffte Notebooks mit Zugang zum Kanzleisystem, sei es über VPN-Tunnel oder andere Systeme wie "anydesk", Rufumleitungen auf das Handy oder den Privatanschluss wurden eingerichtet. Akten wurden mit nach Hause genommen, Diktate per E-Mail ins Büro geschickt oder Schriftsätze direkt per Spracherkennung verfasst und als Word-Datei versendet. Ein Glück, dass die Kanzleimitarbeiter bereits hervorragend in Sachen beA geschult waren, sodass der Versand des fristwahrenden Schriftsatzes nur noch eine Frage weniger Mausklicks war. Waren wir nicht alle froh, als wir irgendwie unsere Kanzleien in den Sommer gerettet hatten und erst mal durchschnaufen konnten?
Hand aufs Herz: wer hat das Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO im Hinblick auf Homeoffice unter Quarantänebedingungen aktualisiert? Zur Erinnerung: Art. 30 DSGVO verpflichtet uns, ein Verzeichnis aller Verarbeitungstätigkeiten in unseren Kanzleien zu führen. Stimmt, da war ja was …
Als die Pandemie unsere Abläufe im Kanzleialltag eiskalt erwischt hatte, waren wir, was die Umsetzung der strengen Vorgaben der DSGVO anbelangt, immer noch am rudern. Nunmehr, ein knappes Jahr später aber dennoch erst im Jahr drei der DSGVO, sollen wir verpflichtet werden, Heimarbeitsplätze vorzuhalten und das alles im Einklang mit sämtlichen Datenschutzvorschriften?
Der Schreib-Arbeitsplatz für die Kanzleimitarbeiterin zuhause ist rasch eingerichtet, das Headset schnell gekauft, die Audiodateien bequem per E-Mail versandt. Nach getaner Arbeit übernimmt das sich zuhause mehr oder weniger langweilende Schulkind den Rechner und erledigt Hausaufgaben über Moodle oder das Home-Schooling. Unterhaltungselektronik und zum Teil auch die Haustechnik ist per Alexa, Siri oder Google Home vernetzt. Das Diktat im Homeoffice kann problemlos über den Smart TV oder die 200 Watt Boxen im Nebenzimmer mitgehört werden. Ein reines Fantasie-Szenario – hoffentlich.
Nach Art. 32 DSGVO sind Maßnahmen zur Datensicherheit zu dokumentieren und deren Einhaltung und Kontrolle festzuhalten. Hat der Arbeitgeber das Recht oder gar die Pflicht, den Homeoffice-Arbeitsplatz zu kontrollieren? In der Tat wird empfohlen, beim Abschluss einer Homeoffice Vereinbarung ein Zugangsrecht des Arbeitgebers zum Homeoffice Arbeitsplatz vorzusehen. Technisch möglich ist die Einrichtung eines Kontroll-Tools, mit dem nicht nur die Dauer der Arbeitszeit zu Hause erfasst, sondern auch eine datenschutzwidrige Nutzung des Heim-PCs erkannt wird.
Machen wir uns alle nichts vor: die meisten von uns haben das Thema Datenschutz in der Vergangenheit äußerst stiefmütterlich behandelt. Wer hat sich oder andere nicht schon dabei ertappt, wie Telefonate mit Mandanten oder Kanzleimitarbeitern im öffentlichen Raum geführt wurden und ein Mithören Dritter geradezu garantiert war? Ich selbst habe vor Jahren im ICE einen in Punkto Sprechlautstärke völlig schmerzfreien Kollegen mit den Worten angesprochen, um dieses Mandat würde ich ihn nicht beneiden, worauf dieser konsterniert reagierte.
Die Sensibilität für den Datenschutz mag im Zuge der Pandemie etwas nachgelassen haben, die rasante Veränderung eingespielter und vermeintlich sicherer Arbeitsabläufe in Kanzleien zwingt uns zu neuer und gesteigerter Aufmerksamkeit. Die Schulung unserer Mitarbeiter, aber auch unsere eigene Verantwortung stehen im Fokus. Denn letztlich ist es ja nicht das Sekretariat, das zwingend ins Homeoffice geschickt werden muss. Meine Mitarbeiterin meinte im Januar: Prima, jetzt gehen alle Anwälte ins Homeoffice, dann kann ich endlich in Ruhe meine Arbeit erledigen.
In diesem Sinne weiterhin frohes Arbeiten – von wo auch immer!
Autor: Argiris Balomatis
Argiris Balomatis, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Tübingen
FF 3/2021, S. 89