Herbsttagung und Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht vom 26./27.11.2020
Mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung gefolgt, um sich den Herausforderungen einer Online-Konferenz zu stellen.
Die traditionsreiche Herbsttagung der Familienanwältinnen und -anwälte fand am letzten November-Wochenende statt – wie jedes Jahr. Aber in dieser von der Corona-Pandemie geprägten Zeit war dennoch alles anders. Wie immer hatten sich zwar mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammengefunden, jedoch nicht wie sonst in einer mittelgroßen Stadt – geplant war eigentlich Regensburg – sondern vor den Bildschirmen, verbunden per Internet. RAin Eva Becker, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, freute sich in ihrer Begrüßungsansprache darüber, dass die Familienanwältinnen und -anwälte technisch gut aufgestellt sind. Das habe die aktuelle Umfrage ergeben, die sich mit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, aber auch mit den Chancen befasste und im Laufe der Tagung vorgestellt wurde. Demnach sei die Einrichtung von Home-Arbeitsplätzen für Anwältinnen, Anwälte und Angestellte weit fortgeschritten, auch die Anschaffung von webcam und headset gehöre inzwischen zur Normalität.
Im Familienrecht habe es ein paar bemerkenswerte Entwicklungen gegeben: Die Adoption durch einen nichtehelichen Stiefelternteil ist durch ein neues Gesetz ermöglicht worden. Im Oktober wurde das "Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder" beschlossen, das u.a. eine Fortbildungspflicht für Familienrichter einführt und bei Verfahrensbeiständen künftig Grundkenntnisse in familienrechtlich relevanten Bereichen vorschreibt, was Familienanwälte schon lange fordern. Rechtsanwältin Becker beklagte jedoch, dass die dringend angemahnte große Reform des Familienrechts immer noch aussteht: im Kindschaftsrecht, im Abstammungs- und Unterhaltsrecht. Das war vor allem an die Vertreterinnen des Justizministeriums und die Bundestagsabgeordneten gerichtet, die an der Online-Konferenz teilnahmen.
Wie immer standen interessante und praxisrelevante Vorträge von namhaften Referentinnen und Referenten auf dem Programm der Herbsttagung. Rechtsanwalt Gerd Weinreich, Vors. Richter am OLG a.D., Oldenburg, schilderte ausführlich und an zahlreichen Beispielen, was bei der Auflösung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften zu beachten ist. Er stellte klar, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine Verbindung zweier Menschen ist, die durch ihre zueinander bestehenden persönlichen Beziehungen geprägt ist. Ihr entscheidendes Merkmal sei ihre Unverbindlichkeit. Dies führe dazu, dass innerhalb der Gemeinschaft rechtliche Bindungen und rechtlich verbindliche Geschäfte in der Regel nicht gewollt sind und die Ausnahme darstellen. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht bestehe somit keine Rechtsgemeinschaft, weshalb – sofern nicht etwas anderes vereinbart sei – weder persönliche noch wirtschaftliche Leistungen gegeneinander aufgerechnet werden können.
Wie solche Vereinbarungen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften dennoch sinnvoll ausgehandelt werden sollten, erläuterte Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Notar aus Regen. Zunächst zeichnete er die geschichtliche Entwicklung nach, vom strafbaren Konkubinat zur neuen Familienform. Es gebe viel Regelungsbedarf bei den nichtehelichen Lebensgemeinschaften. In vielen, aber eben nicht in allen Fällen könnten hier Partnerschaftsverträge nützlich sein, zum Beispiel bei Vollmachten in persönlichen Angelegenheiten, um den Partner zu sichern. Haushalt, Wohnen und Betreuung sind hier die Stichpunkte. Zum Thema Erbrecht wies Grziwotz darauf hin, dass ein "gemeinschaftliches Testament" zwar nicht möglich sei, es aber umgedeutet und in wirksame Einzeltestamente ausgelegt werden könne.
Besonders aktuell war der Vortrag von Rechtsanwalt Klaus Weil, Marburg, über den Gesetzentwurf zur Reform des Versorgungsausgleichs, der einen Tag zuvor vom Kabinett beschlossen worden war. Außerdem hatte Weil eine Fülle von Informationen zu den verschiedenen Teilungsarten parat. Es müsse vor allem überprüft werden, welche Anrechte im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen sind. Das sei der Punkt, an dem immer wieder Fehler gemacht würden, die zu Haftungsproblemen führen, meinte Rechtsanwalt Weil und gab wertvolle Tipps, wie solche Fehler zu vermeiden sind.
Prof.'in Dr. Katharina Dahm von der Hochschule Mainz befasste sich anhand von 28. BGH-Entscheidungen in anschaulicher und lebhafter Weise mit der Wirksamkeit von Eheverträgen und erläuterte Möglichkeiten der Anfechtung.
Wie Steuern in Paarbeziehungen so gestaltet sein können, dass das Finanzamt nicht der lachende Dritte ist, erfuhren die Familienanwältinnen und -anwälte auf der Jahrestagung von Wolf Dieter Tölle, Rechtsanwalt, Notar und Steuerberater aus Detmold. Prof. Dr. Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt (BGH), Karlsruhe, sprach über "Neue Regeln und altbekannte Probleme" bei der ZPO-Reform 2020 und gab einen gut strukturieren Ü...