Klaus Schnitzler
Der Koalitionsvertrag der neu gebildeten Ampelregierung nach der Bundestagswahl im September 2021 verspricht ein modernes Familienrecht.
Unstreitig hat der Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode einige Reformvorhaben im Familienrecht nicht umgesetzt, wie z.B. das Abstammungsrecht und andere Teilbereiche im Familienrecht. Ein leidiges Thema hat der alte Bundestag allerdings beseitigt, nämlich (ab 1.1.2022) die Ausbildung der Familienrichter in allen Instanzen zu verbessern. Zwei Bereiche will ich aus dem Koalitionsvertrag der Ampel herausgreifen (vgl. FF 2022, 27).
1. Verantwortungsgemeinschaft
Das Institut der Verantwortungsgemeinschaft soll als wichtiger Bestandteil der "größten familienrechtlichen Reform der letzten Jahrzehnte" eingeführt werden.
Bundesjustizminister Dr. Buschmann hat Ende Dezember 2021 in Interviews mit der Funke-Medien-Gruppe und der DPA dargestellt, wie er sich diese Verantwortungsgemeinschaft vorstellen könnte. Es gäbe viele rechtliche Probleme, wenn zwei Personen, z.B. zwei Frauen im Alter von 80 und 70 Jahren, eine Wohngemeinschaft bilden möchten. Angeblich würde schon das Mietrecht Probleme bereiten, ganz zu schweigen von den Auskunftsrechten beim Arzt für die jeweils andere Person einer derartigen WG.
Ob das französische Modell des PACS, der registrierten hetero- bzw. homosexuellen Partnerschaft, das Modell sein soll, das Pate gestanden hat (pacte civil de solidarité) sollte erörtert werden. Dieses Modell stammt aus dem Jahre 1999 und hat sich in Frankreich etabliert.
Es darf bezweifelt werden, dass dies etwas Neues oder sogar Modernes ist. Vor längerer Zeit war die faktische Lebensgemeinschaft, die Ehe light, schon einmal in der Debatte. Frau Professor Wellenhofer hat bereits im Jahr 2008 beim Deutschen Anwaltstag in Berlin ein ähnliches Modell vorgestellt (Thesen in FF 2008, 350). Schon damals hat der Vorschlag wenig Begeisterung hervorgerufen. Alter Wein in neuen Schläuchen?
Erstaunlich ist, dass der Vorschlag der FDP der Verantwortungsgemeinschaft im letzten Bundestag (13.1.2020) in der Bundestagsdebatte am 20.5.2021 mit großer Mehrheit abgelehnt worden ist (Enthaltung der Fraktion Die Linke). Hat sich etwa irgendetwas innerhalb eines Jahres in der Wahrnehmung geändert?
Der Bundestagssitzung war eine ausführliche Debatte im Rechtsausschuss vorausgegangen, mit ausführlicher Sachverständigenanhörung u.a. mit Professor Dutta (München), der nach Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte einen Bedarf für dieses neue Institut nicht sieht. Wie schaut es mit der Vertragsfreiheit (Privatautonomie in Deutschland) aus und der Möglichkeit mit Notarverträgen zu arbeiten?
2. Wechselmodell
Das Wechselmodell soll nach dem Koalitionsvertrag insbesondere bei der Erziehungs-, Trennungs- und Konfliktberatung in den Mittelpunkt gestellt werden. Bei der Herbsttagung 2021 (Videotagung in Berlin) hat Professor Helms die FAMOD-Studie vorgestellt. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass er gegenüber anderen Modellen ernsthaft dem Wechselmodell den Vorzug gegeben hat.
Last, but not least: Ende Oktober 2022 wird die Dienstzeit von Hans-Joachim Dose beendet sein. Er hatte den XII. Zivilsenat (Familiensenat) des BGH 2012 als Vorsitzender Richter übernommen und die Rechtsprechung dieses Senats maßgeblich geprägt. Wir hoffen, dass er weiterhin dem Familienrecht als Referent von Anwaltsfortbildungen und als Autor verbunden bleibt.
Freuen wir uns auf ein spannendes Jahr 2022!
Autor: Klaus Schnitzler
Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen
FF 3/2022, S. 89