Praktisch relevant ist die Frage, ob das Gericht im Zuge der Sachverhaltsaufklärung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet ist. Das BVerfG und der BGH stellen die Entscheidung darüber in das Ermessen des Gerichts, fordern aber zugleich die bereits erwähnte "möglichst zuverlässige Sachverhaltsgrundlage" für eine gerichtliche Entscheidung und zwar je stärker eine Grundrechtsposition eines Beteiligten betroffen ist. Bei Kinderschutzverfahren, insbesondere bei Trennung des Kindes von den Eltern oder bei Umgangsausschlüssen, ist wegen der Eingriffsintensität in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG daher die Einholung eines Gutachtens regelmäßig angezeigt, während dies in einem einfachen Umgangsverfahren regelmäßig ausscheiden dürfte. Dazwischen dürften – je nach Komplexität des Sachverhalts – Streitigkeiten zwischen den Eltern um die elterliche Sorge liegen. Hier wird man bei einfach gelagerten Fällen auch ohne Gutachten auskommen müssen, da auch die damit verbundenen Kosten und Belastungen für die Beteiligten im Verhältnis zum erwartbaren Erkenntnisgewinn zu berücksichtigen sind, während z.B. bei Haushaltswechseln mit Änderung des sozialen Umfelds (Umzug in größere Entfernung bei Kindern, die keine Kleinkinder mehr sind, Verbleibensanordnungen etc.) oder bei schwerwiegenden Vorwürfen zwischen den Eltern (Missbrauch, Sucht, Gewalt oder Vernachlässigung, Hochkonflikthaftigkeit) die Sachkunde des Gerichts und der sonstigen Verfahrensbeteiligten regelmäßig nicht ausreichen dürfte. Lehnt das Gericht die Einholung eines Gutachtens ab oder weicht es von einem eingeholten Gutachten ab, so muss es in seiner Endentscheidung darlegen, dass es über ausreichende eigene Sachkunde oder ausreichende sonstige Erkenntnisgrundlagen verfügt. Dabei muss es hinreichend erkennbar werden, worauf das Gericht seine tatsächlichen Annahmen stützt oder wenn Erkenntnisquellen in einer entscheidungserheblichen Frage inhaltlich voneinander abweichen und das Gericht in einem solchen Fall nicht weitere Erkenntnisquellen nutzt oder nicht deutlich macht, aus welchem Grund es einer der voneinander abweichenden Erkenntnisquellen folgt. Letztere kann es neben eigenen Erkenntnissen aus Anhörungen der Beteiligten oder des Kindes, aus Einschätzungen des Jugendamts oder eines Verfahrensbeistandes oder von Familienhelfern gewinnen. Diese Erkenntnisse müssen wiederum in Anbetracht der Erkenntnismöglichkeiten dieser Beteiligten in der Sache für eine ausreichend sichere Beurteilungsgrundlage geeignet sein. Hier darf und muss kritisch nachgefragt werden, wie aussagekräftig ein Erkenntnisgewinn aus einem nur kurzen persönlichen Gespräch oder einem Telefonat ausfallen kann (man beachte § 30 Abs. 3 FamFG). Zulässig ist es ferner, wenn das Gericht z.B. in einem Umgangsverfahren auf Erkenntnisse eines Gutachtens in einem parallel stattfindenden Sorgerechtsverfahren zugreift und diese verwertet. Der Rechtsanwalt kann die Einholung eines Gutachtens nur mit Verweis auf die oben dargestellten Rechtssätze und des entsprechend darunter subsumierbaren Sachverhalts anregen, aber nicht erzwingen, vgl. § 29 Abs. 1 Satz FamFG. Die Ablehnung der Einholung durch das Gericht kann aber einen Verfahrensfehler darstellen, wenn diese Entscheidung gegen die dargestellten Rechtssätze verstößt. Dieser Fehler kann zur Aufhebung und Zurückverweisung der Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG an das Amtsgericht führen.
Umgekehrt kann die gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Anwalt grundsätzlich nicht verhindert werden. Isoliert anfechtbar ist ein Beweisbeschluss nämlich nur in dem Ausnahmefall, dass die Durchführung der Begutachtung eine nicht abwendbare Verletzung von Grundrechten erzeugte, die später nicht mehr oder nicht mehr gänzlich behoben werden kann (z.B. in den oben erwähnten Fällen von medizinischen Eingriffen, Zwangsbegutachtungen oder Teilnahmen an psychotherapeutischen Maßnahmen z.B. eines Elternteils).
Die Einholung des Gutachtens erfolgt im förmlichen Strengbeweisverfahren nach § 30 Abs. 1 FamFG, der auf die §§ 402 ff. ZPO verweist. Es ist auch ein rein mündliches Gutachten möglich. Aus Anwaltssicht ist darauf zu achten, dass nach § 404 Abs. 2 ZPO vor Bestellung des Sachverständigen rechtliches Gehör zu geben ist (auch wenn es sich um eine "kann"-Vorschrift handelt). Aus § 26 FamFG folgt, dass die Auswahl der Person des Sachverständigen allein dem Gericht obliegt, das dessen Eignung selbstständig zu prüfen hat, und das seine Auswahl nicht begründen muss, wenngleich ein transparentes Verfahren an dieser Stelle erfahrungsgemäß sehr wichtig für die Beteiligten ist, da das Gutachten eine zentrale Relevanz für die gerichtliche Entscheidung hat. Eine weitere Folge des Amtsermittlungsgrundsatzes ist schließlich, dass der Beginn der Begutachtung nicht von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden darf, wenngleich die bloß...