BGB § 1360a Abs. 4 § 1361 Abs. 4 S. 4 § 1577 Abs. 1, 3
Leitsatz
1. Der eigenständige Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses nach der Trennung ist gem. § 1360a Abs. 4 BGB auf die Deckung eines unterhaltsrechtlichen Sonderbedarfs gerichtet, der unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit ausgestaltet ist.
2. Im Rahmen der Bedürftigkeit des anspruchsberechtigten Ehegatten ist von dem Grundsatz auszugehen, dass an die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten geringere Anforderungen zu stellen sind, je leistungsfähiger der Unterhaltsverpflichtete ist.
3. Über diesen Grundsatz hinaus sind auch beim Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses in der Trennungszeit für die Frage, in welchem Umfang Vermögen vorrangig zu verwerten ist, die Wertungsgesichtspunkte aus § 1577 Abs. 1 und Abs. 3 BGB sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs heranzuziehen.
4. Im Rahmen der danach gebotenen Billigkeitsabwägung ist über den zu belassenden Sockelbedarf für besondere individuelle Bedürfnislagen und Notfälle hinaus für nicht gesondert geschützte Vermögenswerte u.a. auf die Größe des Vermögens, die daraus erzielbaren Erträge, die Dauer einer Unterhaltsbedürftigkeit, das Vermögen des anderen Ehegatten sowie die Sicherung einer eigenen angemessenen Altersversorgung abzustellen (vgl. BGH FamRZ 1985, 354, 356). Weitergehende Einschränkungen sind aufgrund der stärkeren personalen Verantwortung füreinander gerechtfertigt, wobei neben der Unterhaltsbelastung auch die Dauer der Trennungszeit an Bedeutung gewinnt (BGH FamRZ 1985, 360, 361).
(LS d. Einsenders)
OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2023 – 21 UF 105/23
1 Gründe:
I. [1] Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses in Höhe von 7.658,78 EUR für ein beabsichtigtes Trennungsunterhaltsverfahren in Anspruch.
[2] Die Beteiligten haben am 12.7.2014 geheiratet. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Beim Amtsgericht – Familiengericht – wird das Scheidungsverfahren einschließlich der Folgesachen Güterrecht und nachehelicher Unterhalt unter dem Aktenzeichen … geführt.
[3] Die am … 1969 geborene Antragstellerin ist gelernte Europasekretärin und studierte zum Zeitpunkt des Kennenlernens der Beteiligten Ende 2009/Anfang 2010 Rechtswissenschaften, das Studium schloss sie nicht ab. Seit dem 10.2.2009 bezieht die Antragstellerin … eine Erwerbsunfähigkeitsrente, derzeit in Höhe von 139,17 EUR. Ferner erhält sie seit dem 1.1.2023 Leistungen nach dem SGBXII in Höhe von 242,05 EUR. Die Antragstellerin ist gemeinsam mit ihrer Schwester, der Zeugin Z., die gerichtlich bestellte, jeweils alleinvertretungsberechtigte, Betreuerin ihrer demenzkranken Mutter. Sie wohnt zusammen mit ihrer Mutter in deren Haus im Erdgeschoss. Im Obergeschoss wohnt die Zeugin Z. Die Mutter der Antragstellerin erhält bei einem Pflegegrad 5 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 1.600,00 EUR sowie eine Rente in Höhe von 2.000,00 EUR. Die Pflege der Mutter übernehmen die Antragstellerin und ihre Schwester sowie ein Pflegedienst, der einmal täglich unterstützend tätig wird.
[4] Die Antragstellerin veräußerte am … Mai 2015 die ihr gehörende Immobilie unter der Anschrift … für 145.000,00 EUR. Sie erwarb im November 2019 und Dezember 2019 Goldbarren bei dem Unternehmen D. GmbH zu einem Gesamtwert in Höhe von 51.141,00 EUR. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin noch Eigentümerin dieser Goldbarren ist.
[5] Der am … 1953 geborene Antragsgegner bezieht seit dem 1.12.2018 Altersrente. Daneben ist er weiterhin als selbstständiger Unternehmer tätig und Inhaber des Unternehmens U. … Der Antragsgegner arbeitet täglich nahezu ganztägig in seinem Unternehmen, eigene Mitarbeiter beschäftigt er nicht mehr. Zeitweilig erfolgt eine Zusammenarbeit mit sog. Freelancern. Ein weiteres Unternehmen des Antragsgegners wurde im Jahr 2020 liquidiert.
[6] Der Antragsgegner ist Eigentümer von drei Immobilien. Hierbei handelt es sich um ein von ihm selbst bewohntes Einfamilienhaus unter der Anschrift … , gebaut im Jahr 1988 mit einer Wohnfläche von 235 m² und einer Grundstücksfläche von 2.035 m².
[7] Ferner gehört dem Antragsteller eine Immobilie unter der Anschrift … . Es handelt sich um ein Gewerbeobjekt mit Büroflächen und Hallen, welches im Jahr 2001 errichtet wurde. Sowohl im Obergeschoss als auch im Erdgeschoss befinden sich Büroflächen mit einer Größe von jeweils ca. 196 m². Zum Obergeschoss gehört ebenfalls ein Lagerraum mit ca. 120 m². Im Erdgeschoss befindet sich noch eine Halle mit ca. 360 m². Das Unternehmen des Antragsgegners nutzt Teile der Gewerbeimmobilie für den Geschäftsbetrieb, die übrigen Flächen sind fremdvermietet.
[8] Zur Finanzierung der Gewerbeimmobilie hat der Antragsgegner zwei Darlehen mit einem Gesamtvolumen von 485.727,28 EUR bei der Sparkasse S. aufgenommen. Auf das Darlehen in Höhe von 240.307,18 EUR (Nr. 1) zahlt der Antragsgegner monatliche Raten in Höhe ...