BGB § 1751 Abs. 1 S. 6, BGB § 1672 Abs. 1 S. 2, BGB § 1678 Abs. 2
Leitsatz
Die einstweilige – noch nicht endgültige – Übertragung der elterlichen Sorge im Fall "Görgülü" auf den Vater, die dem Willen des Kindes entspricht und der die Pflegeeltern inzwischen zugestimmt haben, soll der neuen Entwicklung für alle Beteiligten Rechnung tragen und diesen bei der Neuorientierung die Sicherheit geben, sich bei auftauchenden Problemen sofort der Unterstützung des Gerichts zu bedienen.
(Leitsatz der Redaktion)
AG Wittenberg, Beschl. v. 11.2.2008 – 4 F 621/07 SO
Aus den Gründen
Gründe: Das Kind C wurde am 25.8.1999 außerhalb einer Ehe geboren und von der Kindesmutter zur Adoption freigegeben. Bereits kurz nach der Geburt erfolgte die Übernahme des Kindes in die Pflegefamilie, denn eine Bekanntgabe des Kindesvaters durch die Kindesmutter war nicht erfolgt.
Als Kindesvater konnte Herr … gerichtlich mit Urt. v. 20.6.2000 (5 F 21/06) festgestellt werden.
Da der Kindesvater bereits vor der Geburt seine Bereitschaft zur eigenen Betreuung und Versorgung des Kindes – gegenüber der Kindesmutter – signalisiert hatte, begehrte er nun gegenüber dem Amtsvormund und den Pflegeeltern in mehreren Verfahren die Kontaktaufnahme zum Kind und die Herstellung seiner Elternverantwortung, zuletzt mit Antrag vom 26.8.2007 und heutigem einstweiligem Sorgeantrag.
Erst Ende des Jahres 2007/Anfang 2008 gelang dem Kindesvater die Aufnahme regelmäßiger Kontakte zur Herstellung einer Vater-Sohn-Beziehung, nun auch mit Unterstützung des Amtsvormundes und des Jugendamtes. C kann sich inzwischen auch dauerhaft ein Leben beim Vater vorstellen und wünschte in der persönlichen Anhörung eine sofortige Klärung seiner Zukunft.
Im Ergebnis wurde dies von den Pflegeeltern zum Anlass genommen, dem Begehren des Kindesvaters auf eigene Betreuung und Versorgung des Kindes im Verhandlungstermin am 11.2.2008 zuzustimmen und damit ihren eigenen Verbleibensantrag nicht weiter zu verfolgen.
Damit ist für alle Beteiligten ein Neubeginn in der wechselseitigen Beziehung ohne erneuten langjährigen und belastenden Instanzenweg eingeleitet worden.
Anhaltspunkte dafür, dass auch jetzt noch die Verantwortungsübernahme durch den Kindesvater verfrüht – also zur Unzeit – erfolgt, gibt es keine mehr.
C hat bereits wiederholt auch zusammenhängend mehrere Tage im familiären Umfeld des Kindesvaters verbracht. Er kennt inzwischen die Familie und deren Lebensalltag, bis hin zur Arbeitswelt des Kindesvaters. Er mag den Vater und fühlt sich in seiner Familie wohl. Er ist aufgeschlossen für den Familienwechsel und bezüglich des damit verbundenen Schulwechsels grundsätzlich optimistisch. Sein Auftreten Dritten gegenüber ist seit der kontinuierlichen Umgangsgestaltung offener geworden, vor allem in der Schule. Die das Kind zuletzt befragenden Psychologen Herr Dr. W und Frau Dr. L haben gegenüber dem Amtsvormund ebenfalls keine Bedenken geäußert und den Pflegeeltern bestätigt, dass sich das Kind beim Vater auch wohl fühlt.
Insgesamt kann damit das Gericht nun die Prognose anstellen, dass C in der Familie seines leiblichen Vaters aufgenommen und bei Problemen aufgefangen wird.
Ein Bruch in der Beziehung zu den bisherigen Pflegeeltern kann wegen der heute einvernehmlich geschaffenen Grundlage des Familienwechsels nun bei wirklich offenem Umgang der Erwachsenen miteinander vermieden werden. Dies dient dem Wohl des Kindes umso mehr, als damit die fortdauernde psychologische Begleitung des Kindes sich auf die tatsächlichen kindlichen Konfliktfelder konzentrieren kann.
Dass das Gericht dennoch erst eine vorläufige Regelung trifft, soll den Beteiligten die Möglichkeit geben, sich unter den veränderten Bedingungen mit der Sicherheit neu zu orientieren, dass eventuelle neue Problemfelder sogleich auch mit Unterstützung des Gerichts bereinigt werden können.
Es ist mit dem Ende des laufenden Schuljahres nach jetziger Prognose die Tragfähigkeit der Vater-Sohn-Beziehung abschließend zu beurteilen. Eine längere Phase des Beziehungsaufbaus ist nicht mehr erforderlich. Ob eine kürzere Phase genügen mag, werden die nächsten Wochen zeigen.
2 Anmerkung
Mit dem vorstehenden Beschluss scheinen die mittlerweile acht Jahre andauernden gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Aufenthalt und den Umgang mit dem bisher bei Pflegeeltern lebenden, außerehelich geborenen Sohn des Herrn Görgülü ihren vorläufigen Abschluss gefunden zu haben. Das wäre vor allem dem Kind, aber auch den übrigen Beteiligten zu wünschen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung des Falles überrascht es nicht, dass das Kind in seiner familiengerichtlichen Anhörung ein baldiges Ende seiner zahlreichen Befragungen durch immer andere Personen und eine sofortige Klärung seiner Zukunft wünschte.
Der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 26.9.2007 noch eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater abgelehnt, weil auf Grundlage der damaligen Feststellungen des OLG aus Dezember 2006 bisher keine für einen Wechsel ausreichend tragfähige Bindung des Kindes zum Vater bestehe. Zu ve...