Mit der Zahl der in einem Verfahren eingebundenen Personen steigt erfahrungsgemäß die Fehleranfälligkeit und es scheint sich wieder einmal Murphys Gesetz zu bewahrheiten: Es geht schief, was schiefgehen kann – und hoffentlich findet sich jemand, der es dann doch noch in Ordnung bringen kann. Dies war vorliegend als letzte Instanz der BGH, der schlicht an die heilende Wirkung einer Genehmigung der von einem möglicherweise vollmachtlosen Vertreter vorgenommenen Verfahrenshandlungen erinnerte. Aber der Reihe nach:
1. Mit dem durch die Mutter gestellten Antrag auf Beistandschaft zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen wurde in diesem Verfahren zunächst das Jugendamt zum Vertreter des Kindes. Die Beistandschaft ist ein freiwilliges Hilfeangebot an die Eltern. Diese reicht zwar über eine bloße Beratung und Unterstützung hinaus, lässt aber die elterliche Sorge und somit auch das elterliche Vertretungsrecht unberührt (§ 1716 BGB). So kann es durchaus divergierende Rechtshandlungen zwischen einem Elternteil und Beistand geben. Lediglich für Erklärungen in gerichtlichen Verfahren wird dieser Konflikt ausgeräumt, indem die §§ 173, 234 FamFG eine Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausschließen. Hierbei handelt es sich um rein verfahrensrechtliche Vorschriften, die nur die gesetzliche Vertretungsmacht im Verfahren betreffen, im Übrigen aber nichts am Fortbestand der elterlichen Sorge ändern. Folglich hindert die Beistandschaft nicht die (zusätzliche) Bevollmächtigung eines Anwalts; im Umfang der bestehenden Beistandschaft ist dieser jedoch im gleichen Umfang wie der Elternteil von der Vertretung des Kindes im Verfahren ausgeschlossen.
Das Gesetz hat den Zugang zur Beistandschaft bewusst niedrigschwellig ausgestaltet. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist ein schriftlicher Antrag an das zuständige Jugendamt erforderlich, aber auch genügend (§ 1712 Abs. 1 BGB). Die Übernahme der Beistandschaft gehört zu den Amtspflichten des Jugendamtes (§§ 55, 56 SGB VIII), so dass die Rechtsfolgen unmittelbar mit Zugang des Antrags eintreten (§ 1714 BGB), sofern die materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. So leicht, wie die Beistandschaft beantragt werden kann, kann sie auch wieder durch ein einfaches Schreiben des Elternteils an das Jugendamt beendet werden (§ 1715 Abs. 1 S. 1 BGB); eine mündliche Erklärung genügt nicht. Das Vertretungsverbot des § 1712 Abs. S 4 BGB dürfte nach wohl allgemeiner Auffassung auch für die Beendigung der Beistandschaft gelten.
2. Nachdem das Unterhaltsverfahren erstinstanzlich nicht zum Erfolg geführt hatte, gab die Mutter eine solche Erklärung mit dem an das Jugendamt gerichteten Schreiben vom 26.8.2019 ab. Damit war die Beistandschaft beendet. Bis heute ungeklärt ist nur, ob dies alsbald oder erst Anfang Dezember der Fall war. So geriet dieses Schreiben in den Mittelpunkt des vom nunmehr beauftragten Rechtsanwalt fristgerecht eingeleiteten Beschwerdeverfahrens.
Auch wenn das genaue Zugangsdatum nicht feststellbar ist, ist dieses Schreiben wohl nicht auf dem Postweg verloren gegangen, sondern hat das Jugendamt erreicht. Sollte es für die Entscheidung auf den Zeitpunkt des Zugangs ankommen, wäre dann aber nicht – wie möglicherweise vom OLG angenommen – die Vorlage des Schriftstücks beim zuständigen Sachbearbeiter entscheidend. Der Zugang erfolgt vielmehr bereits mit dem Eingang auf der Poststelle des Jugendamtes und führt unmittelbar zur Beendigung der Beistandschaft. Trotz der üblichen Postlaufzeit von wenigen Tagen können sich Verzögerungen bei der Sachbearbeitung auch aus der behördeninterne Postverteilung ergeben. Sofern solche Umstände entscheidungserheblich werden, wären diese ggf. im Freibeweisverfahren aufzuklären. Nun kann im Schriftverkehr mit Gerichten und Behörden immer etwas schief gehen. Dies kann fatale Folgen für den Absender haben, der regelmäßig den Zugang und den Zugangszeitpunkt nachweisen muss. Unter Beachtung von Murphys Gesetz ist daher eine zusätzliche Absicherung ratsam – zumindest in der Form eines Einwurfeinschreibens, bei dem der Zeitpunkt der in der Regel den Zugang begründenden Einlage in den Briefkasten oder das Postfach dokumentiert wird.
3. Nur kam es hier auf diese Vorfragen gar nicht an, weil das Wiedereinsetzungsgesuch lediglich vorsorglich für den Fall der Fristversäumung gestellt war. Der möglicherweise (noch) nicht vertretungsbefugte Rechtsanwalt hatte die Beschwerde rechtzeitig eingelegt und begründet. Nachdem dieser spätestens im Dezember auch die Vertretungsbefugnis erlangt hatte, waren mit der Genehmigung der zuvor vorgenommenen Verfahrenshandlungen auch die gesetzlichen Fristen gewahrt. Insoweit konnte sich der Senat zur Begründung auf eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung beziehen, die bis zum Reichsgericht zurückreicht.
Vollmachtloses Handeln für einen Dritten ist rechtlich nicht bedeutungslos. Wird es von dem Vertretenen genehmigt, wirkt es auf den Zeitpunkt der Handlung zurück (§ 184 Abs. 1 BGB). Für Prozesshandlungen gelten insowe...