Einführung
(im Anschluss an Herr, FF 2020, 186; 2019, 184; 2018, 138; 2017, 285; 2016, 233; 2015, 190 und 2014, 59)
Dieser Beitrag berichtet von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung des Jahres 2020 zu ausgewählten "sonstigen Familiensachen" mit vermögensrechtlichem Bezug. Aus Gründen der Aktualität erscheint der Beitrag am Jahresanfang. Daher wird überwiegend nicht auf das Entscheidungs-, sondern auf das Publikationsdatum abgestellt.
A. Rechtsprechung
I. Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 266 FamFG
Zu folgenden Sachverhalten sind im Berichtsjahr Entscheidungen ergangen:
1. Zuständigkeit nach § 266 FamFG angenommen
Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen vom 12.11.2020 handelt es sich nicht um eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. Nr. 1 FamFG, sondern um eine sonstige Familiensache (§ 266 FamFG), wenn ein Ehegatte den anderen während der Trennungszeit darauf in Anspruch nimmt, an der Kündigung des Mietverhältnisses an der Ehewohnung mitzuwirken. Dies entspricht der deutlich überwiegenden Rechtsauffassung. Zwar ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen zum anwendbaren Kostenrecht ergangen, behandelt aber als notwendige Vorfrage die Einordnung im Rahmen des FamFG als Ehewohnungssache oder sonstige Familiensache nach § 266 FamFG. Letzteres war für die unterlegene Beschwerdeführerin in kostenrechtlicher Hinsicht ungünstiger (Anwendung von §§ 42 FamGKG i.V.m. 41 GKG analog = Ermessensentscheidung/Jahresnettomiete, anstatt §§ 48 Abs. 1 FamGK i.V.m. 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG = fester Wert von 3000EUR).
Zur Frage, ob der formell nach § 266 FamFG zu behandelnde Anspruch auf Mitwirkung an der Kündigung materiell bereits in der Trennungszeit besteht, liegen unterschiedliche Entscheidungen vor. Dafür z.B. das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 21.1.2016 (II-12 UF179/15: "Der Anspruch auf Mitwirkung an der Mitteilung nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB folgt aus §§ 1353 Abs. 1 S. 2, 749 oder 723 BGB (Handbuch des Fachanwalts für Familienrecht/"Klein, 10. Aufl. 2015, 8. Kap. Rn 384; Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1568a Rn 12; Johannsen/Henrich/Götz, Familienrecht, 6. Aufl. 2015) und kann nicht erst ab Rechtkraft der Scheidung, sondern schon während der Trennungszeit geltend gemacht werden (entgegen OLG Hamm FamRZ 2015, 667)“; ebenso das OLG Hamburg. Noch am Ende des Berichtszeitraums eine Entscheidung des OLG Oldenburg: Es hat das Interesse des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten, das Mietverhältnis mit seiner gesamtschuldnerischen Haftung aufrecht zu erhalten, gegen das Interesse des weichenden, künftig solchen finanziellen Belastungen nicht mehr ausgesetzt zu sein, abgewogen: letzteres sei vorrangig. Das OLG hat eine Verteidigung des Verbliebenen damit, er hoffe auf eine Versöhnung oder könne keine andere (günstigere) Wohnung finden, wohl rechtlich für möglicherweise erheblich gehalten, sie aber im Streitfall am mangelnden Tatsachenvortrag scheitern lassen, auf den also anwaltsseitig zu achten ist.
Anders lautet ein Beschluss des AG Rastatt v. 12.11.2014 (5 F 155/14).
2. Zuständigkeit nach § 266 FamFG verneint
Zu dem in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen angesprochenen Zusammenhang zwischen der Einordnung der Sache nach § 266 FamFG und der Kostenfolge liegt eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vor, dass es sich um eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG handelt – und nicht um eine so sonstige Familiensache nach § 266 FamFG, wenn ein Ehegatte die Einräumung von Mitbesitz verlangt. Dabei spielt keine Rolle, dass der Ehegatte seinen Antrag unzutreffend auf § 861 BGB gestützt hat. Die Kostenfolge ergibt sich dann direkt auf der Grundlage des Wertes gemäß §§ 48 Abs. 1 HS 1, 41 FamGKG (Wert 3000EUR).
Die aus Sachgründen erfolglose Beschwerde zur höheren Wertfestsetzung wurde von der Verfahrensbevollmächtigten ausdrücklich im eigenen Namen eingelegt. Nur deshalb war sie, darauf hat das Oberlandesgericht ausdrücklich hingewiesen, zulässig (§ 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Das ist richtig, denn durch eine zu niedrige Wertfestsetzung ist nur der Anwalt, nicht aber der Mandant beschwert.