Eva Becker
lautet das Motto der Europäischen Union (EU) seit dem Jahr 2000.
Dieses Motto passt zur rechtlichen Situation, die wir im Familienrecht in Europa vorfinden. Das hat der 3. Internationale Familienrechtstag der Arbeitsgemeinschaft gezeigt, der im Februar 2022 mit fast 100 Teilnehmern virtuell stattfand.
Mit den Rom III-, EU-Unterhalts- und Güterrechtsverordnungen und der Brüssel IIa Verordnung, die am 1.8.2022 reformiert als Brüssel IIb-Verordnung in Kraft treten wird, ist Europa und sind unsere Mandanten gut gerüstet, nicht nur, aber insbesondere, wenn ihre Lebenssachverhalte grenzüberschreitend Rechtsfragen aufwerfen. Auch der DAV hat an dieser Revision mitgewirkt und sich u.a. für die Berücksichtigung der Anhörungsrechte von Kindern im Verfahren stark gemacht.
Ein weiterer Baustein für Rechtssicherheit im Familienrecht auf europäischer Ebene, die Anerkennung der Elternschaft im Sinne von Abstammung, wird diesen Regelwerken absehbar hinzugefügt werden. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte in ihrer Rede zur Lage der Union 2020 erklärt: "Wenn Sie in einem Land Vater oder Mutter sind, sind Sie in jedem Land Vater oder Mutter". Mittlerweile arbeitet eine Expertengruppe daran, die "Anerkennung wohlerworbener Rechte", wie der EuGH im Fall Grunkin/Paul und diesem folgenden es genannt hat, im Verordnungswege zu Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung zu gewährleisten.
Vielleicht werden nicht alle Mitgliedsstaaten dieser neuen Verordnung zustimmen. Aber auch dafür sieht die EU ein rechtsstaatliches Verfahren vor, das im Familienrecht bereits sehr gute Dienste geleistet hat: Die Mitgliedstaaten können sich im Wege der verstärkten Zusammenarbeit zusammenfinden, so dass das Regelwerk zumindest in einem Teil der Mitgliedsstaaten Wirksamkeit entfalten kann. Schon damit wäre vielen Familien in der EU geholfen.
Warum ist die Arbeit an der Fortbildung des Rechts im Angesicht einer existenziellen Krise erwähnenswert?
Weil Bürgerinnen und Bürger, sei es hier, in Europa oder sonst auf der Welt sich nur hinter einem ihre Lebenssituation abbildenden Recht versammeln und dafür werden einstehen wollen. Es ist deshalb nicht trivial, in diesem Kontext an nationale wie internationale Rechtsreformen zu erinnern.
Wir können zuversichtlich sein, dass die Koalitionspartner der neuen Regierung den dringenden Reformbedarf des Familienrechts in Deutschland erkannt haben. Der ist auch nicht zu übersehen. Kommt es doch sehr selten vor, dass Rechtsgelehrte in einem offenen Brief an den Gesetzgeber Reformen fordern, weil sie das (Abstammungs-)Recht für "lückenhaft, inkohärent sowie in manchen Teilen sogar verfassungswidrig" halten (abgedruckt in FF 2021, 473, https://uni-goettingen.de/de/3240.html?id=6438). Es mehren sich erfreulicherweise die Anzeichen, dass alle drängenden Themen, wie das Abstammungs-, Kindschafts- und Unterhaltsrecht vom Reformwillen der Regierung erfasst sind.
Lassen Sie uns als Anwältinnen und Anwälte aufmerksam verfolgen und dazu beitragen, dass wir durch ernsthafte Reformen des Familienrechts in Vielfalt geeint bleiben.
Autor: Eva Becker
Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin
FF 4/2022, S. 133