FamFG § 17 § 18 § 58 § 64 § 151 Nr. 1, BGB § 1618

Leitsatz

1. Wird die Beschwerde in einer Familiensache beim nicht empfangszuständigen Oberlandesgericht eingelegt und entscheidet dieses trotz Unzulässigkeit der Beschwerde in der Sache, so kann das Rechtsbeschwerdegericht wegen der versäumten Beschwerdeeinlegungsfrist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren, wenn das fehlende Verschulden des Beschwerdeführers offenkundig ist und die zur Nachholung der Beschwerdeeinlegung ausreichende Übersendung der Akten an das Amtsgericht von Amts wegen zu erfolgen hatte. Das Rechtsbeschwerdegericht kann in diesem Fall die Aktenübersendung selbst veranlassen. (Rn 7)

2. Die Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung ist nur dann für das Kindeswohl erforderlich, wenn gewichtige, über die mit der Einbeziehung des Kindes in die Stieffamilie verbundene typische Interessenlage hinausgehende Gründe hierfür vorliegen (Fortführung des Senatsbeschl. v. 24.10.2001 – XII ZB 88/99, FamRZ 2002, 94). Von einer ohne Einbenennung entstehenden Gefährdung des Kindeswohls ist die Ersetzung der Einwilligung hingegen nicht abhängig (teilweise Aufgabe der Senatsbeschl. v. 10.3.2005 – XII ZB 153/03, FamRZ 2005, 889 und v. 9.1.2002 – XII ZB 166/99, FamRZ 2002, 1330). (Rn 29) (Rn 30)

3. Ist nach umfassender Abwägung der Kindeswohlbelange und des Kontinuitätsinteresses des namensgebenden Elternteils die Erforderlichkeit der Einbenennung zu bejahen, hat das Familiengericht als mildere Maßnahme stets eine additive Einbenennung zu prüfen. Genügt diese den Belangen des Kindes, wird aber ein darauf gerichteter (Hilfs-)Antrag nicht gestellt, so ist die Ersetzung der Einwilligung abzulehnen. (Rn 31)

BGH, Beschl. v. 25.1.2023 – XII ZB 29/20 (OLG Frankfurt, AG Weilburg)

1 Aus den Gründen

Gründe: I. [1] Das Verfahren betrifft die Ersetzung der Einwilligung des beteiligten Kindesvaters in die Einbenennung des 2008 geborenen Kindes.

[2] Das aus der Ehe der beteiligten Eltern hervorgegangene Kind trägt den Nachnamen des Kindesvaters. Die Ehe wurde im Jahr 2010 geschieden. Die Kindesmutter ist wiederverheiratet und hat den Namen ihres heutigen Ehemanns angenommen. Der Kindesmutter ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden. Wegen weiterer sorgerechtlicher Befugnisse hat der Kindesvater ihr Vollmacht erteilt.

[3] Die Kindesmutter hat die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung des Kindes beantragt. Das Kind hat der Einbenennung zugestimmt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist darauf hingewiesen, dass der Beschluss mit der "sofortigen Beschwerde" angefochten werden könne, welche beim Amtsgericht "oder" beim Oberlandesgericht einzulegen sei. Das Oberlandesgericht hat auf das bei ihm von der anwaltlich nicht vertretenen Kindesmutter eingelegte Rechtsmittel die Einwilligung des Kindesvaters in die Erteilung des Ehenamens für das Kind antragsgemäß ersetzt.

[4] Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Kindesvaters, der die Verwerfung, hilfsweise die Zurückweisung der Erstbeschwerde erstrebt.

II. [5] Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

[6] 1. Der angefochtene Beschluss ist nicht bereits wegen Unzulässigkeit der (Erst-)Beschwerde aufzuheben. Denn der Kindesmutter ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdeeinlegungsfrist zu gewähren.

[7] Zwar rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht, dass die Beschwerde nicht in zulässiger Weise eingelegt worden ist. Die Kindesmutter hat diese nicht, wie in § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG vorgeschrieben, beim Amtsgericht, sondern beim Beschwerdegericht eingereicht. Eine Verwerfung der Beschwerde ist dennoch nicht auszusprechen, weil der Kindesmutter von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, was unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz erfolgen kann.

[8] a) Das Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung ist eine Kindschaftssache im Sinne von § 151 Nr. 1 FamFG. Die in dem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ergehende Endentscheidung unterliegt daher gemäß § 58 FamFG der Beschwerde, welche nach § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Beschluss angefochten wird. Das gilt gemäß § 11 Abs. 1 RPflG auch bei funktioneller Zuständigkeit des Rechtspflegers, die hier aufgrund von § 3 Nr. 2 lit. a RPflG gegeben ist. Durch die Einlegung der Beschwerde beim Beschwerdegericht ist vorliegend mithin die Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 1 FamFG nicht gewahrt worden.

[9] b) Der Kindesmutter ist indessen gemäß § 17 Abs. 1 FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die gesetzliche Beschwerdefrist einzuhalten. Nach § 17 Abs. 2 FamFG wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die im Beschluss des Amtsgerichts enthaltene Rechtsbehelfsbelehrun...

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