BGH ändert Rechtsprechung zur Namensänderung von Kindern
Mit seiner aktuellen Entscheidung rückt der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, wonach die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils durch das Familiengericht in eine Namensänderung eines Kindes voraussetzt, dass andernfalls eine Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten wäre (BGH Beschlüsse v. 10.3.2005, XII ZB 153/03 und v. 9.1.2002, XII ZB 166/99). Die Hürden für eine Namensänderung gegen den Willen eines Elternteils bleiben auch nach der neuen Entscheidung dennoch hoch.
Kindesvater verweigerte Einwilligung in die Einbenennung
Gegenstand des vom BGH entschiedenen Verfahrens war eine seitens des Kindesvaters verweigerte Einwilligung in die Einbenennung seines im Jahr 2008 ehelich geborenen Kindes. Nach Scheidung der Ehe hatte die Kindesmutter wieder geheiratet und den Familiennamen ihres neuen Ehemannes angenommen. Die Kindesmutter besitzt - bei ansonsten gemeinsamem Sorgerecht - das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie weitere sorgerechtliche Einzelbefugnisse. Der mit Zustimmung des Kindes beim Familiengericht gestellte Antrag der Mutter auf Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung des Kindes (Annahme des Familiennamens der neuen Familie), hatte - anders als zunächst beim Familiengericht - zweitinstanzlich beim OLG Erfolg.
Detaillierte gesetzliche Regelung der Einbenennung
Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Kindesvaters führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Der BGH stellte maßgeblich auf die Vorschrift des § 1618 BGB ab.
- Gemäß § 1618 Satz 1 BGB können ein sorgeberechtigter Elternteil und sein Ehegatte, der nicht Elternteil ist, dem in ihrem gemeinsamen Haushalt lebenden Kind durch Erklärung gegenüber dem Standesamt ihren Ehenamen erteilen.
- Soweit der andere Elternteil ebenfalls sorgeberechtigt ist, bedarf die Einbenennung gemäß § 1618 Satz 3 BGB der Einwilligung des anderen Elternteils, dessen Name das Kind führt
- sowie der Einwilligung des Kindes, wenn dieses das 5. Lebensjahr vollendet hat.
- Das Familiengericht kann gemäß § 1618 Satz 4 BGB die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Einbenennung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
- Daneben eröffnet § 1618 Satz 2 Halbsatz 1 BGB die Option der Ersetzung des Namens durch Voranstellung oder Anfügung des weiteren Namens (Doppelnamen).
Bisher Einbenennung nur bei drohender Kindeswohlgefährdung
Bisher legte der BGH den Begriff der Erforderlichkeit der Einbenennung sehr eng aus. Es genüge nicht, dass eine Namensänderung wünschenswert und dem Kindeswohl zur besseren Eingliederung des Kindes in die neue Familie dienlich erscheine. Erforderlich im Sinne des Gesetzes sei die Einbenennung nur, wenn andernfalls außerordentliche, durch die Namensdifferenz ausgelöste Belastungen des Kindes zu befürchten seien, die das Kindeswohl gefährden (BGH, Beschluss v. 24.10.2001, XII ZB 88/99).
BGH gibt Kindeswohlgefährdung als Voraussetzung auf
Die bisherige sehr strenge Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit gibt der BGH in der aktuellen Entscheidung ausdrücklich auf. Eine Gefährdung des Kindeswohls ist danach nicht mehr Voraussetzung für die Einbenennung bei entgegenstehenden Willen eines Elternteils.
Kontinuitätsinteresse des anderen Elternteils bleibt schützenswert
Auch in der aktuellen Entscheidung misst der BGH dem Kontinuitätsinteresse des anderen Elternteils und der Wahrung der inneren und äußeren Verbundenheit durch das zu seinem Kind bestehende Namensband eine große Bedeutung zu. Die typischerweise mit der Einbeziehung des Kindes in die neue Familie verbundenen Interessen genügen auch nach der jetzigen Entscheidung für sich genommen nicht, um die Erforderlichkeit der Einbenennung für das Kindeswohl zu begründen. Dies gilt auch für möglicherweise das Kind belastenden Erklärungsbedarf für die Namensverschiedenheit zur aktuellen Familie beispielsweise in der Schule.
Umfassende Abwägung von Kindeswohl und Kontinuitätsinteresse erforderlich
Im Ergebnis erfordert die Ersetzung der Einwilligung des anderen Elternteils durch das Familiengericht nach der Entscheidung des BGH eine umfassende Abwägung der Kindeswohlbelange und des Kontinuitätsinteresses des namensgebenden Elternteils. Dabei habe das Familiengericht stets auch die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgebots zu prüfen. Nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten könne eine sogenannte additive Einbenennung als milderes Mittel zur Wahrung der berechtigten Interessen des Kindes ausreichen, also die Vergabe eines Doppelnamens.
Bisherige Abwägung unzureichend
Nach Auffassung des BGH reicht die bisherige Sachaufklärung des Beschwerdegerichts nicht aus, um unter Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte zu einem angemessenen Ergebnis zu gelangen. Zu berücksichtigen sei auch die schwierige psychische Situation des Kindesvaters, der aufgrund seiner aktuellen Lebenssituation sich nicht zu einer Einwilligung in die Einbenennung entscheiden könne, er aber auch dem Kind nicht schaden wolle.
Auf Kindesanhörung durfte nicht verzichtet werden
Soweit das Beschwerdegericht dem auf eine Namensänderung gerichteten Willen des Kindes erhebliche Bedeutung beigemessen hat, habe das Beschwerdegericht die Beeinflussung des Kinderwillens durch die Mutter möglicherweise nicht hinreichend berücksichtigt. Auf eine persönliche Anhörung des Kindes habe das OLG daher nicht verzichten dürfen, zumal das Beschwerdegericht von der ursprünglichen Entscheidung des Familiengerichts, das eine Kindesanhörung durchgeführt hatte, abgewichen sei.
Beschwerdegericht muss erneut entscheiden
Das Beschwerdegericht muss daher unter Beachtung der vom BGH aufgestellten Grundsätze erneut entscheiden, wobei der Senat der sorgfältigen Prüfung der Option einer additiven Einbenennung einen besonderen Wert zuweist.
(BGH, Beschluss v. 25.1.2023, XII ZB 29/20)
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