Eine Reform des geltenden Abstammungsrechts ist schon längere Zeit Gegenstand intensiver rechtspolitischer Diskussionen. Zuletzt hatte es 2019 unter der großen Koalition einen Diskussionsentwurf mit ausformulierten Gesetzestexten gegeben. Kern des Entwurfs war die Öffnung des Abstammungsrechts für die sogn. Mitmutterschaft, also die Elternschaft zweier Frauen für ein Kind. Der Entwurf ist letztlich nicht weiterverfolgt worden, weil es an einem ausreichenden politischen Konsens gefehlt hat. Das BMJ unternimmt nun mit dem vorgelegten Eckpunktepapier einen erneuten Anlauf und greift dabei wesentliche Elemente des Diskussionspapiers aus 2019 wieder auf.
1. Mitmutterschaft
a) Geplante Regelung
Das Eckpunktepapier möchte ebenso wie der Diskussionsentwurf 2019 das Abstammungsrecht für die Mitmutterschaft öffnen. Dabei soll der Grundsatz der Zwei-Personen-Elternschaft nicht angetastet werden.
Mutter eines Kindes bleibt die Frau, die das Kind geboren hat (Geburtsmutter, § 1591 BGB). Neben ihr soll zukünftig aber auch die Frau Mutter des Kindes werden, die mit der Geburtsmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist oder ihre Mutterschaft mit Zustimmung der Geburtsmutter anerkennt (sogn. Mitmutter). Die bislang nur für den Vater geltenden § 1592 Nr. 1 und 2 BGB sollen damit zukünftig auch für Mitmütter gelten. Eine Mitmutterschaft kraft gerichtlicher Feststellung, wie es § 1592 Nr. 3 BGB für die Vaterschaft vorsieht, soll nach dem Eckpunktepapier allerdings nicht eingeführt werden. Das Eckpunktepapier enthält keine Begründung dazu, warum eine gerichtliche Feststellung der Mitmutterschaft nicht vorgesehen ist. Der Diskussionsentwurf aus 2019 führte in diesem Zusammenhang aus, dass eine Feststellung der Mitmutterschaft nur Fälle betreffen könne, in denen die Mitmutter der Geburtsmutter eine Eizelle gespendet habe, was nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) verboten sei. Eine Feststellbarkeit der Mitmutterschaft hätte zudem zur Folge, dass neben den genetischen Vater und der Geburtsmutter als dritter rechtlicher Elternteil die genetische Mutter treten würde. Dies sei mit dem Zwei-Eltern-Prinzip aber nicht zu vereinbaren.
Für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform bereits geborene Kinder soll die Mitmutterschaft nicht automatisch begründet werden, sondern stets der Anerkennung durch die Mitmutter bedürfen. Unklar bleibt, ob die Geburtsmutter der Anerkennung wie auch sonst zustimmen muss oder ob in den Übergangsfällen die einseitige Erklärung der Mitmutter ausreicht, wenn diese mit der Geburtsmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet war.
Die kraft Ehe oder Anerkennung begründete Mitmutterschaft setzt naturgemäß nicht das Bestehen der genetischen Elternschaft für das Kind voraus. Angesichts des Verbots der Eizellenspende dürfte im Gegenteil Leitbild der Mitmutterschaft gerade die nicht auf genetischer Abstammung beruhende Elternschaft sein. Dennoch stellt das Eckpunktepapier die Mitmutterschaft unter denselben Anfechtungsvorbehalt wie die Vaterschaft. Lediglich die Geburtsmutterschaft bleibt unanfechtbar. Anfechtungsberechtigt sollen die Geburtsmutter, die Mitmutter, das Kind, der rechtliche und der mutmaßliche leibliche Vater sein. Damit hätte eine Anfechtung der Mutterschaft aber regelmäßig Erfolg. Die hierdurch eintretenden Friktionen versucht das Eckpunktepapier abzumildern, indem es die Anfechtung ausschließt, wenn die Beteiligten vor der Zeugung eine sogn. Elternschaftsvereinbarung abschließen. Die an einer solchen Elternschaftsvereinbarung beteiligten Personen können die kraft Vereinbarung begründete Elternschaft nicht mehr anfechten. Darüberhinausgehend sieht das Eckpunktepapier weitere Einschränkungen des Anfechtungsrechts vor. Beruht die Mitmutterschaft auf einer Anerkennung der Mutterschaft, ist die Anfechtung durch die Mitmutter ausgeschlossen, wenn sie sicher weiß, dass sie nicht die genetische Mutter des Kindes ist. Gleiches gilt für die der Anerkennung zustimmenden Geburtsmutter. Die Anfechtung der Mitmutterschaft ist zudem ausgeschlossen, wenn eine schutzwürdige sozial-familiäre Beziehung zwischen der Mitmutter und dem Kind besteht.
Keine Öffnung sieht das Eckpunktepapier für die Elternschaft zweier Männer vor. Diese haben nach wie vor nur die Möglichkeit, im Wege der (Stiefkind- bzw. Sukzessiv-)Adoption ein Kind anzunehmen, um so die Elternschaft für das Kind zu erlangen (§§ 1741, 1742, 1766a BGB). Das Eckpunktepapier führt hierzu aus, dass die Vaterschaft zweier Männer den Grundprinzipien des deutschen Abstammungsrechts zuwiderlaufen würde, nach denen stets die Frau, die das Kind geboren hat, Mutter des Kindes ist und ein Kind nicht mehr als zwei Elternteile haben könne. Zudem sei die Leihmutterschaft in Deutschland verboten (§§ 13a ff. ADVermG, § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG), mit der konsertierten Elternschaft zweier Männer aber zwangsläufig verknüpft. Es solle daher das Ergebnis einer Sachverständigenkommission abgewartet werden, die die Möglichkeiten einer Legalisierung der altruistisch...