Klaus Weil
Endlich haben wir ihn, den neuen Versorgungsausgleich. Man hat uns befreit von der elenden, ständig geänderten Barwertverordnung und der damit verbundenen Umrechnung von Versorgungsanrechten, die wir – seien wir doch mal ehrlich – sowieso nie so richtig verstanden haben. Nun ist also alles besser und einfacher – wirklich?
Versorgungsanrechte werden künftig in der Regel innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems des Verpflichteten hälftig geteilt. Aber wieder müssen wir feststellen, dass 200 EUR Rente geteilt durch 2 nicht unbedingt 100 EUR Rente ergeben. Abhängig von dem jeweiligen Versorgungssystem kann die Hälfte der Anwartschaft für die Ehefrau wertmäßig nur 1/3 bedeuten. Dies ist u.a. davon abhängig, welche Art von Absicherung (Alter plus Invalidität oder nur Alter) sie enthält und wie der jeweilige Versorgungsträger rechnet. Also wieder nichts mit Klarheit und Transparenz, obwohl wir die Auskünfte und Berechnungen in nachvollziehbarer Form einfordern können.
Ach ja, da gibt es ja auch noch den korrespondierenden Kapitalwert des § 47 VersAusglG. Er soll uns in die Lage versetzen, bei Versorgungen, die nicht als Kapitalwert mitgeteilt werden, eine Verrechnung mit anderen Vermögenswerten, z.B. beim Zugewinnausgleich, zu ermöglichen. Doch was müssen wir im Gesetz feststellen? Bei dem Wert handelt es sich nur um eine Hilfsgröße. In Abhängigkeit von der Art des Anrechts wird der korrespondierende Kapitalwert auf sehr unterschiedliche Weise ermittelt und berechnet. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Ergebnisse, selbst wenn sich die zugrunde liegenden Anrechte bezüglich der gewährten Leistung nicht oder nur wenig unterscheiden. Wieder sind wir auf Experten angewiesen. Transparenz sieht anders aus.
Dennoch: Der Gesetzgeber hat ein Versorgungsausgleichssystem geschaffen, das vielleicht nicht weniger kompliziert für die Anwaltschaft ist; es führt aber zu einer Annäherung an die Halbteilung und deshalb zu höherer Gerechtigkeit innerhalb des Ausgleichs.
Es wird unsere Aufgabe sein, dieses System mit Leben zu erfüllen und insbesondere dem Wunsch des Gesetzgebers in den §§ 6 ff. VersAusglG nachzukommen, kreative Vereinbarungen unter Einschluss des Versorgungsausgleichs für die beteiligten Eheleute zu schaffen. Die Regelungsbefugnis der Beteiligten wurde durch den Wegfall des Genehmigungserfordernisses des § 1587 o BGB und der Jahresfrist des § 1408 Abs. 2 BGB erheblich erweitert. Die Möglichkeiten, die das VersAusglG den Beteiligten gibt, den Versorgungsausgleich ihrer Lebenssituation und ihrer weiteren Lebensplanung anzupassen, sollten umfangreich genutzt werden. Der Abschluss von Vereinbarungen bleibt zwar kompliziert und erfordert teilweise die Beiziehung eines Rentensachverständigen oder Versicherungsmathematikers. Solche Vereinbarungen werden den Wünschen der Eheleute jedoch häufig gerechter als die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Die Zeit, in der der Versorgungsausgleich alleine Sache der Gerichte war, ist endgültig vorbei. Wir Anwälte sind nicht nur gefragt, individuelle Lösungen zu erarbeiten. Wir haben künftig auch die Verantwortung bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs und damit gezwungenermaßen auch das Haftungsrisiko. Lassen wir uns jedoch davon nicht abschrecken.
Als Rettungsassistent während meiner Studienzeit galt die Maxime:
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1. Ruhe bewahren! |
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2. Ekel überwinden! |
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3. Gezielt handeln! |
Sie kann eins zu eins auf den Versorgungsausgleich übertragen werden.