Dr. Eva Niebergall-Walter
Die Neuregelungen des FamFG und des Versorgungsausgleichsgesetzes stellen neben der Anwaltschaft auch die Gerichte vor neue Anforderungen.
Die letztjährige Umfrage der AG Familienrecht bei ihren Mitgliedern, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in allen 24 OLG-Bezirken, ging der Frage nach, ob die Richterinnen und Richter sowie die Geschäftsstellen der Familiengerichte diesen Anforderungen in organisatorischer Hinsicht gerecht werden.
Schon die Ergebnisse des ersten Fragenkomplexes, der sich mit dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen (§ 155 FamFG) befasste, führen zu weiteren Fragen.
Entspricht es tatsächlich der Intention des Gesetzgebers, wenn zur Durchsetzung des Vorrangs- und Beschleunigungsgebots
- in fast allen Bezirken – ausgenommen Rostock – Gerichtstermine in Kindschaftssachen nicht mit den beteiligten Rechtsanwälten abgesprochen werden,
- in einigen wenigen Bezirken einem Verlegungsantrag grundsätzlich nicht stattgegeben wird und
- in etwa der Hälfte der Bezirke ein anderes Gericht trotz Terminskollision mit einer Kindschaftssache nur mit Schwierigkeiten den eigenen Termin verlegt?
Ist es nicht eher im Interesse der Beteiligten, insbesondere der betroffenen Eltern, wenn die größere Anzahl der Gerichte eine Terminsverlegung aufgrund Verhinderung des Jugendamtssachbearbeiters, wegen Krankheit/Urlaub oder wegen anderer Termine der Betroffenen oder des Anwalts/der Anwältin vornimmt?
Nur in wenigen Bezirken, wie beispielsweise im OLG-Bezirk Braunschweig, führt das Vorrang- und Beschleunigungsgebot zu Verzögerungen bei anderen Familiensachen.
Die Richterschaft zeigt sich sehr engagiert, insbesondere wenn man bedenkt, dass gerade einmal in drei OLG-Bezirken die Zahl der Richterstellen trotz der zusätzlichen Einführung des "Großen Familiengerichts" spürbar aufgestockt wurde.
Verfahrenskostenhilfe wird in weit überwiegendem Maß nach wie vor für Sorgerechtsverfahren bewilligt, zu erheblichen Schwierigkeiten kommt es insoweit in erster Linie im Bereich des OLG Düsseldorf.
Ein weiterer Fragenkomplex der Umfrage betraf die 2-Wochen-Frist für Verbundsachen (§ 137 Abs. 2 FamFG). Hier ist ein verändertes Verhalten der Richterinnen und Richter bei der Terminierung zu konstatieren.
Während unter der Geltung des alten Verfahrensrechts die Gerichte in 4/5 der Bezirke den Scheidungstermin verlegten, wenn kurz vor dem Termin ein Folgesachenantrag eingereicht wurde, erfolgt unter der Geltung des FamFG nunmehr in 3/5 der Bezirke keine Verlegung, auch wenn der Folgesachenantrag die Gerichte außerhalb der 2-Wochen-Frist erreicht.
Absprachen mit dem Gericht, einem Verlegungsantrag zu entsprechen, weil noch eine Folgesache anhängig gemacht werden soll, gibt es nicht.
Erfreulicherweise wird die 2-Wochen-Frist mehrheitlich nicht durch eine Ladungsfrist von 14 Tagen oder sogar kürzer unterlaufen.
Die gegenläufige Tendenz, die immerhin in neun OLG-Bezirken zu beobachten ist, kann – mit Verlaub gesagt – nur als Unsitte bezeichnet werden. Es scheint übersehen zu werden, dass es gute und rechtlich zu akzeptierende Gründe für eine späte gerichtliche Geltendmachung von Folgesachen gibt.
Schließlich hat sich auch der Gesetzgeber für eine kurze Frist entschieden, eine Entscheidung, die nicht durch "Ladungstricks" konterkariert werden sollte.
Die Vorbereitung der Gerichte auf die geänderte rechtliche Situation verlief auf den ersten Blick erfolgreich.
Die genutzten Computerprogramme befinden sich weitgehend auf dem neuesten Stand, die Kenntnisse im neuen Verfahrens- wie materiellen Recht werden bundesweit als ausreichend bewertet, den gerichtlichen Entscheidungen liegen die richtigen Rechtsmittelbelehrungen bei und die Abgabe der Akten vom Amtsgericht an das Oberlandesgericht erfolgt so zügig, dass die Beschwerdebegründungsfrist ohne Probleme eingehalten werden kann.
Zu bemängeln ist, dass
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die Geschäftsstellen nur in 60 % der Fälle Protokolle und Entscheidungen zeitnah übersenden, während es in den anderen Fällen zu Verzögerungen zwischen vier und sechs Wochen kommt, und |
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der zuständige Richter/die zuständige Richterin telefonisch nur in der Hälfte der Bezirke ganztags zu erreichen ist. |
Aufhorchen lassen die Ergebnisse bei dem Fragenkomplex zum Versorgungsausgleich.
Die Hälfte der Gerichte übersenden die Fragebogen zum Versorgungsausgleich und holen die Auskünfte bei den Versorgungsträgern ein, auch wenn eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich mit der Scheidungsantragsschrift vorgelegt wird.
Mit wenigen Ausnahmen fordern die Gerichte die Versorgungsträger nicht zur detaillierten Auskunft über rechtliche und tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit (§ 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG) auf.
80 % der Gerichte setzten keinen Streitwert für den Versorgungsausgleich an, wenn eine Vereinbarung bereits vor Beginn des Scheidungsverfahrens geschlossen wird.
Für ausgesetzte Verfahren wird nur in der Hälfte aller Bezirke ein neues Aktenzeichen erteilt, nur bei 2/3 der Streitwert neu festgelegt und bei fast allen Verfahrenskostenhilfe nicht erne...