Infolgedessen stellt sich die Frage, welchen Wert der jeweilige Wille der Eltern und des Kindes in Bezug auf die Bestimmung des Wechselmodelles durch das Familiengericht haben. Bezüglich des jeweiligen Wertes des Willens der Beteiligten sind dabei grundsätzlich drei verschiedene Szenarien zu unterscheiden.

1. Zustimmung beider Elternteile

a) Grundsatz

Die Ausübung der gemeinsamen Sorge wird im Grundsatz durch die Trennung der Eltern nicht beeinflusst, weshalb die Ausgestaltung der Autonomie der Eltern unterliegt. Im Rahmen dieser Freiheit kann das Wechselmodell in Ausführung der elterlichen Sorge als "alternierend verwirklichte Sorgegemeinsamkeit auf tatsächlicher Ebene" ausgeformt werden.[16] Nach Ansicht des BGH ist eine Anordnung des paritätischen Wechselmodells auch im Wege einer Umgangsregelung anordnungsfähig, sofern die gemeinschaftliche elterliche Sorge vorliegt. Die Anordnung ist dabei – wie auch eine inhaltlich übereinstimmende Elternvereinbarung – mit dem Sorgerecht vereinbar.[17] Der maßgebliche Bezugspunkt für die Anordnung des Wechselmodells bleibt jedoch das Kindeswohl. Demnach hat das Familiengericht die Betreuungsform anzuordnen, welche dem Kindeswohl i.S.d. § 1697a BGB dient.[18]

[16] Kinderrechtskommission, FamRZ 2014, 1157 [1161].
[17] Keuter, FF 2017, 152; Coester, FF 2017, Stellungnahme GFDT zum Wechselmodell.
[18] BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15 = NZFam 2017, 206; Keuter, FF 2017, 152; Coester, FF 2017, Stellungnahme GFDT zum Wechselmodell.

b) Ausnahme

Das paritätische Wechselmodell ist deswegen nicht durch Umgangsregelung anzuordnen, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde. Eine Störung der Kommunikation liegt demnach schon dann vor, wenn die Eltern zwar kommunizieren, dies jedoch in einer unsachlichen und nicht gebotenen Weise erfolgt und somit eine Entscheidung über die Belange des Kindes nicht möglich ist und daraus eine erhebliche Belastung für das Kind erwächst.[19] Eine absolute Kommunikationsverweigerung ist dahingegen nicht zwingend erforderlich.[20] Infolgedessen ist das Wechselmodell bei Zustimmung beider Elternteile durch das Gericht anzuordnen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Der übereinstimmende Wille der Elternteile hat daher einen erheblichen Einfluss auf die Anordnung des Wechselmodells.

2. Wille des Kindes

a) Stellenwert des Willens

Der Wille des Kindes ist in die Bestimmung des Kindeswohls mit einzubeziehen. Im Grundsatz hat das Familiengericht das Kind persönlich anzuhören, da nur so eine Umgangsregelung getroffen werden kann, die dem Kindeswohl dient.[21] Das Familiengericht hat gem. § 26 FamFG von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Gem. § 159 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Gericht das Kind persönlich anzuhören, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ein jüngeres Kind ist gem. § 159 Abs. 2 Alt. 1 FamFG persönlich anzuhören, wenn die Neigung, Bindung oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Durch den Wortlaut des § 159 Abs. 2 Alt.1 FamFG wird der erhöhte Stellenwert des Willens des Kindes für die Bestimmung des Kindeswohls deutlich. Der zugrunde gelegte Wert des Willens des Kindes wurde zudem durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt.[22] Dieser gewichtige Aspekt wiegt umso schwerer, als das Kind durch den Willen zur Begründung des Wechselmodells seinen bisherigen beständigen Lebensmittelpunkt aufgibt. Demnach tritt der Kindeswille neben andere maßgebliche Bewertungskriterien des Kindeswohls und hat neben der Erziehungseignung der Eltern, der Bindung des Kindes und den Prinzipien der Förderung und Kontinuität erheblichen Einfluss auf die Anordnung des Wechselmodells.[23]

b) Alter des Kindes

Bezüglich der Gewichtung des Willens des Kindes ist jedoch in Anbetracht des konkreten Alters zu differenzieren.

aa) Kleinkind

Der Stellenwert des Willens des Kleinkindes wird in der Regel gering eingeschätzt. Dies kann in der Praxis dazu führen, dass auf eine Anhörung des Kindes – entgegen der Wertung des § 159 Abs. 2 FamFG – verzichtet wird. Der Verzicht stellt jedoch einen erheblichen Verfahrensverstoß dar. Im Grundsatz erscheint der geringe Stellenwert nachvollziehbar, da eine Beeinflussung des Kindes durch materielle Güter oder den Kauf eines Haustiers leicht möglich ist.[24] Der Wille des Kleinkindes wird dabei vor allem durch Zuneigung, Abneigung oder die Bindung zu den Elternteilen beeinflusst. Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass eine nach außen hin erklärte erhebliche Aversion gegen einen Elternteil dem Kindeswohl entgegensteht und dem Willen des Kindes daher einen gewichtigen Stelle...

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