Hier lauern regelmäßig schon zu Beginn des Verfahrens "Abbiegefehler". Wenn das Familiengericht dem Jugendamt den pauschalen Auftrag erteilt, doch bitte schön binnen einer Frist von drei Wochen umfassend zur Situation der Familie berichten, dazu Gespräche zu führen (mit Familienmitgliedern, Erziehern, Lehrerinnen etc.), Hausbesuche zu machen, biegt es schon falsch ab. Warum? Darf das Familiengericht dem Jugendamt überhaupt den Auftrag erteilen, den Sachverhalt zu ermitteln? Für die Beantwortung dieser Frage ist es hilfreich, das Verhältnis Familiengericht – Jugendamt in den Blick zu nehmen.
Wie hätte der Gesetzgeber das Verhältnis Familiengericht – Jugendamt regeln können? Und wie hat er es geregelt? Der Gesetzgeber hätte eine Anleihe beim Verhältnis Polizei-Staatsanwaltschaft nehmen können. In § 152 Abs. 1 GVG heißt es: "Die Ermittlungspersonen ("bis 2004: Hilfsbeamte) der Staatsanwaltschaft sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten.“ Der Gesetzgeber hätte dementsprechend das Verhältnis Familiengericht – Jugendamt wie folgt regeln können: Die Fachkräfte des Jugendamts sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen des Familiengerichts Folge zu leisten. Und tatsächlich lautete § 48c JWG: "Das Vormundschaftsgericht kann das Jugendamt mit der Ausführung … sonstiger Anordnungen betrauen". Doch das ist Rechtsgeschichte.
Anders noch als zu Zeiten des JWG ist das Jugendamt nicht (mehr) subalternes "Hilfsorgan", sondern als Fachbehörde Kooperationspartner des Gerichts. Das Jugendamt ist nicht ausführendes Organ oder Gehilfe des Gerichts, sondern wird als Träger eigener Aufgaben tätig. Aufgaben, Pflichten und Rechte des Jugendamts als Teil der öffentlichen Verwaltung ergeben sich – auch soweit sie im gerichtlichen Verfahren mitwirken – aus dem Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG, § 31 SGB I) und werden im Unterschied zur früheren Regelung gemäß den §§ 48, 48c JWG ("Das Vormundschaftsgericht kann das Jugendamt mit der Ausführung … . sonstiger Anordnungen betrauen.") nicht durch das Gericht bestimmt.
Die Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren ist Erfüllung eigener gesetzlicher Aufgaben des Jugendamts und nicht etwa Erfüllung gerichtlicher Aufgaben; das Jugendamt ist nicht Hilfsorgan des Gerichts.
Zitat
§ 50 SGB VIII (in der Fassung vom 16.4.2013):
(1) Das Jugendamt unterstützt das Familiengericht bei allen Maßnahmen, die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen. Es hat in folgenden Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mitzuwirken:
1. Kindschaftssachen (§ 162 FamFG),
2. …
(2) Das Jugendamt unterrichtet insbesondere über angebotene und erbrachte Leistungen, bringt erzieherische und soziale Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen ein und weist auf weitere Möglichkeiten der Hilfe hin. In Kindschaftssachen informiert das Jugendamt das Familiengericht in dem Termin nach § 155 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über den Stand des Beratungsprozesses.
(3) …
Die §§ 50 – 52 SGB VIII stellen die interdisziplinäre Kooperation von Jugendamt und Gerichten auf eine verlässliche Grundlage, um die in der Vergangenheit gepflegten Missverständnisse abzubauen und diffusen Verfahrensweisen zu beseitigen. Art und Umfang der Hinweise und Mitteilungen nach § 50 Abs. 2 S. 1 SGB VIII sind in das Ermessen des Jugendamts gestellt. § 50 Abs. 2 SGB VIII hebt zwei Aspekte der Mitwirkung besonders hervor: zum einen das Berichten, das heißt die Weitergabe von (vorhandenen) Informationen, die das Gericht auf anderem Wege nicht ermitteln kann, zum anderen das fachliche Einschätzen und Bewerten auf die Zukunft hin, das sich in der Formulierung "weist auf weitere Möglichkeiten der Hilfe hin" andeutet.
Aus § 50 SGB VIII können keine Verpflichtungen und gar Befugnisse des Jugendamts zu weiteren "Unterstützungsmaßnahmen", insbesondere zur Anhörung bestimmter Personen oder die Verpflichtung zur Durchführung eines Hausbesuchs abgeleitet werden. Freilich kann der Hausbesuch im konkreten Einzelfall fachlich angemessen sein, um sich einen Eindruck von der Lebenswelt der Kinder und ihrer Familien zu machen. Die Amtsermittlung kann nicht an das Jugendamt delegiert werden. Das Jugendamt ist nicht verpflichtet, tatsächliche Ermittlungen zur Feststellung des Sachverhalts oder zum Zweck der Anhörung anzustellen. Dies bleibt Aufgabe des Gerichts (§ 26 FamFG). Das Jugendamt erhebt Daten nur, soweit dies zur Wahrnehmung seiner eigenen Aufgaben erforderlich ist (§ 62 Abs. 1 SGB VIII) und gibt diese Daten nur weiter, wenn es hierzu befugt ist. Deshalb fließen die Äußerungen der Jugendamts-Fachkräfte nur zusätzlich in die Stoffsammlung des Gerichts ein. Es liegt schließlich in Kindesschutzfällen nahe, dass da Gericht selbst ggf. bei Ärzten, Lehrern, Polizisten, im Kindergarten, bei Familienh...