Die Familiengerichtsbarkeit ist jedenfalls in den Verfahren, die elementare Grundrechte der Betroffenen berühren, zur "kritischen Infrastruktur" zu zählen. Daher scheiden folgende vier Vorgehensweisen während der gegenwärtigen Corona-Krise in der Regel aus:
1. Die Verfahren unverändert so zu führen wie vor der Pandemie, also persönliche Anhörungen der Kinder und Anhörungs- und Erörterungstermine mit vielen im Saal Erschienenen (etwa 2 Elternteile, 2 Verfahrensbevollmächtigte, Jugendamt, Vormund bzw. Ergänzungspfleger, Verfahrensbeistand, Sachverständige, Dolmetscher, 1-3 Richterpersonen). Wenn nicht ausnahmsweise die räumlichen Möglichkeiten bestehen, den Gesundheitsschutz dennoch zu gewährleisten, könnte bei dieser Variante das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG (I.3.) verletzt werden.
2. Eine verfahrensabschließende Entscheidung zu treffen, ohne persönliche Anhörungen und Anhörungs- und Erörterungstermine durchzuführen. Hier könnten die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. I, Art. 6 Abs. 2 und 3 GG (I.1. und/oder I.2.) verletzt werden, weil die "persönliche Anhörung" und der "Anhörungs- und Erörterungstermin" zugleich der Tatsachenermittlung dienen. Eine Entscheidung ohne diese Verfahrenshandlungen würde auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage erfolgen und damit einen Grundrechtseingriff bedeuten.
3. Die Arbeit der Gerichtsverwaltung, insbesondere der Geschäftsstellen, aufgrund der Kontaktbeschränkungen so weit herunterzufahren, dass der gesamte Gerichtsbetrieb auf einen Notbetrieb schalten muss. Hierdurch würden die Grundrechte der Beteiligten und ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht mehr gewahrt (I.1., I.2. und I.4.). Insoweit steht nicht der einzelne Familienrichter/Familiensenat, sondern die jeweilige Gerichtsleitung in der Verantwortung, die Interessen der Beteiligten an familiengerichtlichem Rechtsschutz als auch die körperliche Unversehrtheit aller Mitarbeiter*innen unter Berücksichtigung tatsächlich zur Verfügung stehender Schutzmöglichkeiten im Einzelfall angemessen abzuwägen.
4. Die Rechtspflege zum Stillstand zu bringen oder die Verfahren nicht zu fördern bzw. die Rechtssachen nicht zu bearbeiten. Hier wird das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (I.4.) verletzt. Außerdem könnten die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 und 3 GG (I.1. und/oder I.2.) verletzt sein.