BGB § 1577 Abs. 1 § 1578 Abs. 1 § 1581
Leitsatz
1. Veräußert der Unterhaltspflichtige eine in seinem Alleineigentum stehende Immobilie, so kann ihm der bisher tatsächlich zugeflossene geldwerte Vorteil für die mietfreie Nutzung der darin befindlichen Wohnung weiterhin fiktiv als erzielbares Einkommen zugerechnet werden, wenn für ihn eine Obliegenheit bestand, die Immobilie nach Umschichtung seines sonstigen Vermögens zu renovieren, um hieraus durch Eigen- oder Fremdnutzung einen angemessenen Ertrag zu erzielen, anstatt den Verkaufserlös ohne jeden Zinsertrag auf einem Bankkonto zu belassen.
2. Unabhängig von einer Obliegenheitsverletzung durch die Veräußerung der Immobilie besteht ein Unterhaltsanspruch, bei dem der Wegfall des Wohnvorteils durch den nach § 1581 BGB zumutbaren teilweisen Einsatz des Veräußerungserlöses kompensiert wird.
(Leitsätze des Anmerkenden)
OLG Nürnberg, 16.7.2020 – 10 UF 1286/19 (AG Regensburg)
Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die Beteiligten streiten um nachehelichen Unterhalt. Der Antragsteller begehrt Abänderung eines seit 2017 bestehenden Unterhaltstitels.
[2) Die Beteiligten haben am […] 1974 geheiratet. Seit […] 2007 sind sie geschieden. Bei der Scheidung wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt und der Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von 874 EUR verpflichtet.
[3] In einem Vergleich vom 30.12.2014 wurde der seitens des Antragstellers zu zahlende monatliche Unterhalt auf 500 EUR festgelegt. Dieser Vergleich wurde wegen des absehbaren Renteneintritts des Antragstellers am […] 2016 befristet bis November 2016.
[4] Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 13.4.2017 wurde der Antragsteller verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab 1.12.2016 monatlich 531 EUR nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Auf Seiten des Antragstellers wurden dabei Renten von 932,91 EUR und 217,53 EUR sowie ein – vom Gericht geschätzter – Wohnvorteil von 605,20 EUR berücksichtigt, auf Seiten der Antragsgegnerin ein Einkommen von 693,99 EUR. Das Familiengericht führte weiter aus, dass der durchgeführte Versorgungsausgleich Unterhalt nicht ausschließe, solange die Antragsgegnerin keine Altersrente beziehe und damit in den Genuss des Versorgungsausgleichs komme.
[5] Mit Antrag vom 12.7.2019, zugestellt an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 19.7.2019, begehrt der Antragsteller eine Abänderung des Beschlusses dahin gehend, dass von ihm kein Unterhalt mehr geschuldet werde sowie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschl. v. 13.4.2017. Er macht geltend, dass die Antragstellerin seit 1.2.2019 Regelaltersrente beziehe, die am 1.4.2019 auf 798,28 EUR erhöht worden sei. Zudem besitze er nunmehr keinen Wohnvorteil mehr.
[6] Nach der Scheidung habe er Unterhalt in wechselnder Höhe geleistet. Dabei habe die Antragsgegnerin von dem Wohnwert in erheblichem Umfang profitiert. Nach der Ehe erworbene Versorgungsanwartschaften seien nicht zu berücksichtigen, da der Ausgleich im Versorgungsausgleich erfolgt sei. Die Antragsgegnerin habe stets Barunterhalt gefordert. Hätte sie Vorsorgeunterhalt geltend gemacht, wäre der Barunterhalt zwar niedriger ausgefallen; es würde aber auch keine Versorgungslücke bestehen.
[7] Nach Abzug des geleisteten Unterhalts von 531 EUR seien ihm nur 619,44 EUR verblieben. Er habe davon den Unterhalt und die Nebenkosten des 1976 errichteten und 1995 ihm von seiner Mutter geschenkten Hauses nicht mehr bezahlen können. Zum 1.4.2019 sei er ausgezogen und wolle das Haus verkaufen. Beide Häuser seien alt und erheblich renovierungsbedürftig. Die genehmigte Wohnfläche betrage 88 qm. Die Veräußerung unterliege zudem seiner freien Disposition. Die Immobilien seien nicht zur gemeinsamen Altersvorsorge gedacht gewesen, sondern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihn übertragen worden und dürften daher nicht berücksichtigt werden.
[8] Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 26.7.2019 beantragte die Antragsgegnerin Antragsabweisung und stellte gleichzeitig Widerstufenantrag auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers und Zahlung des sich errechnenden nachehelichen Unterhalts.
[9] Hinsichtlich des Abänderungsantrags machte sie geltend, der Umstand, dass sie nun Altersrente in Höhe von 798,28 EUR beziehe, bedeute nicht, dass kein Unterhaltsanspruch mehr gegeben sei. Es werde bestritten, dass ein Anspruch auf Altersvorsorge-Unterhalt bestanden habe und angesichts der Einkommensverhältnisse der Beteiligten und der relativ kurzen Zeit bis zu ihrem Renteneintritt zu einer nennenswerten Altersvorsorge geführt hätte. Sie sei bei Ehescheidung bereits erwerbsunfähig gewesen, so dass ihr lediglich eingeräumt worden sei, eine Tätigkeit für 400 EUR brutto/ 342 EUR netto zu finden. Nach einem Sachverständigengutachten habe sie ab April 2012 gar nicht mehr arbeiten können.
[10] Auch müssten die Renten des Antragstellers inzwischen erhöht worden sein. Ein Verkauf der Häuser werde bestritten. Bei Verkauf eines der Häuser habe mit dem Erlös die Renovierung...