Im zweiten Schritt muss über das einschlägige Kollisionsrecht das Scheidungsstatut ermittelt werden. Da das frühere Kollisionsrecht hinlänglich bekannt sein dürfte, konzentriert sich dieser Beitrag auf Art. 17 Abs. 2 EGBGB n.F. Bei diesem handelt es sich um eine ungewöhnliche Kollisionsvorschrift. Denn dass der deutsche Gesetzgeber für eine Materie, die eigentlich nicht in den Anwendungsbereich des EU-Rechts fällt, qua nationalen Verweises das EU-Recht für anwendbar erklärt, dann aber über nationale Modifikationen seinen eigenen Stempel setzt, ist ein Novum.
a) Primär: Rechtswahl
Der grundsätzliche Verweis in Art. 17 Abs. 2 EGBGB auf die Kollisionsvorschriften der Rom III-VO bedeutet zunächst, dass primär eine Rechtswahl der Eheleute gilt (vgl. Art. 5 Rom III-VO). Anders als nach dem alten Scheidungskollisionsrecht des EGBGB wird den Ehegatten also Autonomie eingeräumt, zwischen einem bestimmten Kreis von Rechtsordnungen wählen und damit ein privatscheidungsfreundliches Recht zur Anwendung bringen zu können. Da bei Privatscheidungen kein Gericht angerufen wird, stellt Art. 17 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB für den Zeitpunkt der Rechtswahl auf die "Einleitung des Scheidungsverfahrens" ab, womit der Moment gemeint ist, in dem der Scheidungsgegner mit der Scheidung erstmals förmlich befasst wird. Außerdem ist gem. Art. 17 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB eine Rechtswahl zugunsten des Rechts des Gerichtsstaates nach Art. 5 Abs. 1 lit. d) Rom III-VO ausgeschlossen. Würde man den Eheleuten die Wahl des Rechts am Vornahmeort der Privatscheidung erlauben, wären sie nämlich völlig frei darin, irgendeine privatscheidungsfreundliche Rechtsordnung zu wählen, zu der sie keinerlei Verbindung haben müssten.
In der Praxis dürfte die Möglichkeit zur Rechtswahl aber häufig an den hohen Formerfordernissen scheitern. Die Rom III-VO stellt in Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO zwar keine allzu strengen Anforderungen an die Form auf. Danach muss die Rechtswahl schriftlich erfolgen, datiert und unterzeichnet sein und kann auch durch eine elektronische Übermittlung erfolgen. Allerdings enthält Art. 7 Abs. 2 bis 4 Rom III-VO Öffnungsklauseln für zusätzliche Formvorschriften des mitgliedstaatlichen Rechts, die in vielen Fallkonstellationen einschlägig sind. Der deutsche Gesetzgeber hat davon in Art. 46e Abs. 1 EGBGB Gebrauch gemacht und verlangt für eine wirksame Rechtswahl die notarielle Beurkundung, woran es in der Praxis fast immer fehlen dürfte.
Dies ist bei Verfahrensscheidungen, also im unmittelbaren Anwendungsbereich der Rom III-VO, unproblematisch, weil die Ehegatten die Rechtswahl hier auch noch im Laufe des Verfahrens zu Protokoll des Gerichts vornehmen können, falls das Recht in dem jeweiligen Mitgliedstaat dies erlaubt, was in Deutschland der Fall ist (Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO, Art. 46e Abs. 2 EGBGB). Der deutsche Gesetzgeber wollte für Privatscheidungen ebenfalls die Möglichkeit einer solchen Rechtswahl während des Verfahrens eröffnen, stand aber vor dem Problem, dass es hier an der Beteiligung eines Gerichts fehlt, zu dessen Protokoll die Rechtswahl erklärt werden könnte. Daher bestimmt Art. 17 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB, dass eine Rechtswahl im Laufe des Privatscheidungsverfahrens nur wirksam ist, wenn die Form des Art. 7 Rom III-VO gewahrt wurde. Über dessen Öffnungsklauseln kommt also wiederum das Erfordernis notarieller Beurkundung nach Art. 46e Abs. 1 EGBGB zur Anwendung, weshalb die Möglichkeit zur Rechtswahl in der Praxis weitgehend leerlaufen dürfte. Außerdem darf die Rechtswahl nur vorgenommen werden, wenn das gewählte Recht diese Möglichkeit vorsieht. Hier kann man nur auf eine großzügige Auslegung durch die Gerichte hoffen. Da nämlich viele Rechtsordnungen zur Möglichkeit der Rechtswahl schweigen, sollte man es ausreichen lassen, wenn das gewählte Recht sie nicht ausdrücklich untersagt. Für die Zukunft sollte außerdem erwogen werden, Art. 46e Abs. 1 EGBGB zu streichen und keine unnötig hohen Formanforderungen an Rechtswahlvereinbarungen zu stellen.
Offen ist bislang, wie etwa der Fall zu behandeln ist, in dem ein Ehepaar z.B. in Brasilien einen notariellen Scheidungsvertrag schließt, ohne darin ausdrücklich das fremde Scheidungsrecht zu wählen. Auch hier sollte man meines Erachtens großzügig sein und im Abschluss des Vertrags eine konkludente Rechtswahl zugunsten des privatscheidungsfreundlichen Rechts sehen. Die ausländische notarielle Urkunde würde dann im Wege der Substitution an die Stelle einer inländischen notariellen Beurkundung treten. Aus anwaltlicher Vorsicht sollte Paaren, die z.B. aus Kostengründen eine Vertragsscheidung im Ausland durchführen möchten, bis auf Weiteres aber dennoch empfohlen werden, das fremde Scheidungsrecht ausdrücklich in notariell beurkundeter Form zu wählen.