Am 1.12.2020 erging eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz mit folgendem Leitsatz: "Zum Rückerstattungsanspruch des Schwiegersohnes wegen Investitionen in und Mietzahlungen für das Haus der Schwiegereltern, dessen Übernahme durch die Eheleute gemeinsam bzw. den Schwiegersohn allein beabsichtigt war, zu welcher es nach dem Scheitern der Ehe nicht mehr kommt."
Dahinter steht eine bestimmte Abhandlung der Ausgangsproblematik, auf die in diesem Jahresrückblick eingegangen werden muss, wobei sich das vom OLG gefundene Ergebnis im Rahmen der richterlichen Abwägung hält. Von Interesse sind die dogmatische Einordnung solcher Ansprüche, die Anspruchsgrundlage, deren Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen.
Der Sachverhalt ist von einigen teils streitigen Besonderheiten geprägt, die hier unberücksichtigt zu bleiben haben. Es soll nur um diejenigen vom OLG formulierten übergeordneten Grundsätze gehen, die nicht davon abhängen.
Das OLG hat sich schon im Leitsatz auf einen "Rückerstattungsanspruch" des "ehemaligen" Schwiegersohnes festgelegt. "Rückerstattung" (nicht: Ausgleich oder sogar: billiger Ausgleich) klingt nach ungerechtfertigter Bereicherung, obwohl letztlich über einen Billigkeitsanspruch aus § 313 BGB entschieden wird; so richtig wollte sich das OLG hier aber – ausdrücklich – nicht festlegen.
Das Oberlandesgericht stützt sich allein auf einen Teil der Kommentierung von Palandt/Grüneberg zu § 313 BGB Rn 15 Satz 1, und zwar die hiernach "fließende Grenze" zwischen § 812 BGB und § 313 BGB, wobei es die Einschlägigkeit der einen oder anderen Norm dahinstehen lässt und ausführt, auch bei § 812 BGB komme es auf die Frage der Unzumutbarkeit der Beibehaltung der eingetretenen Vermögenslage an. Dieses Kriterium ist dem Bereicherungsrecht aber nicht eigen, und deshalb ist die Entscheidung für die eine oder die andere Anspruchsgrundlage so wichtig. Die Zitierung von Palandt/Grüneberg a.a.O. durch das OLG ist unvollständig, denn (erst) am Ende dieser Randnummer kommt der Kommentator zu den Fällen des Scheiterns der Ehe, verweist auf seine Rn 50 ff., wo am Ende von Rn 53 auf die Ansprüche des Schwiegerkindes gegen den Schwiegervater überhaupt erst näher eingegangen wird am Beispiel des "Ausbaus einer Wohnung".
Die Entscheidung – insbesondere die Erwägungen zur Anwendung von § 812 BGB und/oder § 313 BGB – zeigt, auf welch unsicherem Grund man sich bei den Schwiegerkindfällen zur Zeit noch bewegt, im Gegensatz zu den gegenläufigen Ansprüchen der Schwiegereltern gegen das Schwiegerkind, wo sich eine Rechtsprechungslinie mit einigermaßen verlässlichen Eckpunkten herausgebildet hat. Solche Grundsätze sind vor allem für die Anwaltschaft von Bedeutung, wo zeitlich die erste haftungsbegleitete Entscheidung über die Erfolgsaussichten von Angriff oder Abwehr verlangt wird.
Die Rechtsprechung zu den Ansprüchen der Schwiegerkinder hat eine solche Fortentwicklung nicht erfahren. Allerdings liegt einschlägige Literatur vor, die für die anwaltliche Fallbearbeitung kaum entbehrlich erscheint.
Der Fall zeigt exemplarisch das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung auch solcher Ansprüche auf. Wever hat hierzu als Mitglied der Reformkommission des Deutschen Familiengerichtstages diesen richtungsweisenden Legislativvorschlag vorgelegt:
Zitat
§ 1588a Ausgleich nach Leistungen besonderer Art
(1) Hat ein Ehegatte dem anderen unentgeltlich eine Zuwendung oder vermögensbildende Arbeitsleistungen zur Forderung der Lebensgemeinschaft erbracht, die über die Bedürfnisse des täglichen Lebens hinausgehen, so kann er beim Scheitern der Lebensgemeinschaft einen angemessenen Ausgleich verlangen, sofern er die Leistung bei Voraussehen des Scheiterns der Lebensgemeinschaft nicht erbracht hätte und soweit ihm die Beibehaltung der bestehenden Vermögenslage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann. Zu berücksichtigen ist insbesondere, ob bereits das Güterrecht zu einem angemessenen Vermögensausgleich führt.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für unentgeltliche Zuwendungen und Arbeitsleistungen, die Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder Dritte zur Forderung der Lebensgemeinschaft erbracht haben.“